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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Regenwaldabholzung am Amazonas bringt keinen dauerhaften Aufschwung

Lässt die Abholzung des brasilianischen Amazonas-Regenwalds den Lebensstandard der Menschen in der Region ansteigen? Eine neue internationale Forschungsstudie zeigt, dass zwar erst einmal ein rasches Aufblühen der Wirtschaft zu verzeichnen ist, dem aber schon bald ein Niederga...

Lässt die Abholzung des brasilianischen Amazonas-Regenwalds den Lebensstandard der Menschen in der Region ansteigen? Eine neue internationale Forschungsstudie zeigt, dass zwar erst einmal ein rasches Aufblühen der Wirtschaft zu verzeichnen ist, dem aber schon bald ein Niedergang folgt; die Wissenschaftler sprechen in einem solchen Fall von einem "Boom-and-bust"-Schema (Auf- und Abschwung). Die teilweise über das Sechste EU-Rahmenprogramm (RP6) geförderte Studie weist nach, dass die im Vorher-Nachher-Vergleich ermittelten Eckdaten der wirtschaftlichen Entwicklung ähnlich niedrig sind. Die verschiedensten Gruppen - so etwa Investoren und Bergleute - suchen im brasilianischen Amazonasgebiet nach neuen Chancen. Aber dabei handelt es sich vor allem um Glücksritter, die wegen der besseren Lebensqualität in eine lockende Boomregion strömen. Eine mit wirtschaftlicher Entwicklung begründete "Waldumwandlung" bedeutet die komplette Rodung des Waldes, um dann nach dem Holzeinschlag in diesem Gebiet Land- und Viehwirtschaft zu betreiben. In den letzten zehn Jahren sind insgesamt 155.000 Quadratkilometer Regenwald im brasilianischen Amazonasgebiet abgeholzt worden. Nach Angaben der Forscher liegt die durchschnittliche Abholzungsgeschwindigkeit bei über 1,8 Millionen Hektar pro Jahr, und die Kahlschlaggrenze bewegt sich sehr schnell weiter. Unter Leitung von Dr. Ana Rodrigues vom Zentrum für evolutionäre und funktionelle Ökologie am Französischen Nationalen Forschungszentrum (CNRS) legte das Forschungsteam die Werte des Entwicklungsindex HDI (Human Development Index) des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) zugrunde, der Durchschnittsdaten zu Lebensstandard, Alphabetisierung und Lebenserwartung beinhaltet, um 286 in verschiedenen Phasen der Entwicklung befindliche Gemeinden im Regenwald zu bewerten. Dr. Rodrigues zufolge maßen die Forscher Änderungen in bestimmten Gebieten, nicht in Zeiträumen. "Unsere Analyse untersuchte die relative Entwicklung von Mustern im Raum und nicht die Zeitschiene der absoluten Entwicklung", so die Studie. "Letzteres war nicht möglich, da es an langfristigen Zeitreihendaten mangelte, aber die räumliche Betrachtung hat durchaus den Vorteil einer Standardisierung der zeitlichen Veränderungen, die die gesamte Region beeinflussen (z. B. Konjunkturzyklen der brasilianischen Wirtschaft)." Sie verglichen verschiedene Parameter des menschlichen Lebensstandards (z. B. Einkommen, Bildung, Lebenserwartung) in Teilen brasilianischer Amazonasgebiete, bevor diese von der Abholzung eingeholt wurden, von Teilen, die sich mitten im Holzeinschlag befanden und Gemeinden, die bereits von der Abholzungsgrenze überrollt worden waren. Die beobachtete anfängliche Erhöhung des Lebensstandards sei wahrscheinlich darauf zurückzuführen, auf welche Weise die Einheimischen aus den neu verfügbaren natürlichen Ressourcen wie etwa Weideflächen Nutzen zögen. Das Team ist überdies der Auffassung, dass höhere Einkommen und neue Straßen zu besseren Lebensbedingungen beitragen. "Der Amazonas ist weltweit für seine einmalige Natur berühmt, aber ist zugleich auch eine sehr arme Region. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass das Ersetzen des Waldes durch landwirtschaftliche Anbauflächen und Weiden der beste Ansatz für eine Erfüllung des legitimen Strebens der Region nach wirtschaftlicher Entwicklung sei", erklärte Dr. Rodrigues in einem Science-Podcast-Interview. "Unsere Studie überprüfte, ob diese Annahme überhaupt zutrifft. Wir haben festgestellt, obgleich an der Abholzungsgrenze anfängliche Verbesserungen der Einkommen, der Lebenserwartung und der Alphabetisierung zu verzeichnen waren, solche Gewinne nicht nachhaltig sind", fügte sie hinzu. "Wir möchten dringend darauf hinweisen, dass bessere Entwicklungsmodelle für die Region gefunden werden müssen, wobei eine gewisse Herausforderung darin besteht, die Lebensbedingungen der Menschen nachhaltig zu verbessern, aber ohne die natürlichen Ressourcen zu erschöpfen", sagte Dr. Rodrigues. "Unserer Meinung nach spiegelt das "Boom-and-bust"-Schema die übermäßige Ausbeutung und die daran anschließende Erschöpfung der natürlichen Ressourcen Holz, Landqualität, Bodenfruchtbarkeit wider." Ein besseres Modell führte der Forschungsleiterin zufolge eben nicht zu einer langfristigen Erschöpfung der natürlich vorhandenen Ressourcen. Sie gab zu bedenken: "Wir glauben, dass nun die Voraussetzungen für ein solches Modell geschaffen werden, bei welchem dem Wald im 'lebendigen' Zustand ein weitaus höherer Wert zukommt als im abgeholzten; das kommt im Prozess der laufenden Verhandlungen - zum Beispiel mit dem Beginn der Bewertung des Waldes als Kohlenstoffsenke und hinsichtlich der Entschädigung der nicht abholzenden Länder dafür, dass sie keine Kohlendioxidemissionen durch Entwaldung verursachen, - recht deutlich zum Ausdruck", sagte sie. Die weit verbreitete Abholzung hätte mit der Auswanderung der Europäer in dieses Gebiet und mit der portugiesischen Kolonisation im 16. Jahrhundert begonnen, stellte Dr. Rodrigues klar. "Die riesigen Abholzungen im Amazonasgebiet sind noch relativ jungen Datums, die meisten Kahlschläge sind das Ergebnis der letzten Jahrzehnte", wie sie Science mitteilte. Professor Andrew Balmford vom Institut für Konservierungswissenschaften der Universität Cambridge im Vereinigten Königreich kommentierte: "Das derzeitige Boom-and-bust-Entwicklungsschema im Amazonas ist deshalb sowohl mit Blick auf die Menschen dort als auch in Hinsicht auf die möglicherweise katastrophalen Folgen für andere Arten und für das Weltklima alles andere als wünschenswert. Eine Umkehr dieses Muster wird von der Wahrnehmung des Werts intakter Wälder für Menschen außerhalb des Amazonas abhängen, und zwar auf eine Weise, dass der Lebensunterhalt der Regenwaldbewohner dann besser gesichert ist, wenn der Wald stehen gelassen wird, und nicht, wenn er ausgelöscht wird."

Länder

Frankreich, Vereinigtes Königreich

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