Virtuelles Lebermodell für präzisere Operationen
Europäische Forscher entwickelten eine virtuelle Leber, um die Heilungschancen bei Lebererkrankungen wie Leberkrebs oder Zirrhose zu verbessern. Erste Ansätze hierzu lieferte bereits das EUREKA-Projekt Odysseus. EUREKA fördert internationale, marktorientierte Forschung. Die virtuelle Leber wird nun im Rahmen des EU-finanzierten Projekts PASSPORT (Patient specific simulation and preoperative realistic training for liver surgery) weiterentwickelt, das mit 3,6 Millionen EUR unter der Thematik Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) des Siebten Rahmenprogramms (RP7) gefördert wird. Leberzirrhose und Leberkrebs fordern allein in Europa jährlich 90.000 Todesopfer. Der chirurgische Eingriff ist hierbei das Mittel der Wahl für eine erfolgreiche Therapie. Bei der Operation wird das erkrankte Gewebe möglichst vollständig entfernt, wobei genug gesundes Gewebe verbleiben muss, damit der Patient überleben kann. Normalerweise entscheidet der behandelnde Arzt anhand von Ultraschallbildern, inwieweit eine Operation sinnvoll ist, d.h. ob danach noch genug gesundes Gewebe zur Verfügung steht. Allerdings ist nicht nur die Auswertung dieser zweidimensionalen Bilder schwierig, sondern auch die begleitenden Untersuchungen und Analysen durch externe Spezialisten. Das Odysseus-Projekt entwickelte nun ein Softwareprogramm, das aus individuellen Patientendaten ein dreidimensionales (3D) Modell der Leber erzeugt, zu dessen Auswertung auch Fachärzte an externen Einrichtungen hinzugezogen werden können. Die Software liefert den Ärzten präzise Informationen zum Organzustand und der Verteilung der Blutgefäße in der Leber. Die detaillierten Daten sollen dazu dienen, mehr Menschen einen chirurgischen Eingriff zu ermöglichen und diesen im Vorfeld besser zu planen. "Die dreidimensionale Darstellung ermöglicht eine präzisere Planung von Leberoperationen, da wichtige Blutgefäße genauer lokalisiert werden können", erklärt Professor Luc Soler vom Forschungszentrum IRCAD (Institut de Recherche contre les Cancers de l'Appareil Digestif) in Frankreich. Die Software liefert Medizinern nicht nur ein hervorragendes diagnostisches Werkzeug an die Hand, auch die Segmentierung der Leber ist deutlicher ersichtlich. Bisherige Leberoperationen basierten auf einem aus dem Jahr 1957 stammenden Lebermodell. Die 3D-Software zeigte nun allerdings, dass bei bis zu 50 Prozent aller Patienten die Leberstruktur deutlich vom herkömmlichen Modell abweicht. Das System umfasst eine Reihe von Technologien. Neben der Erzeugung einer virtuellen Leber aus individuellen Patientendaten (Virtual Patient Modelling) zur präoperativen Diagnose kann mit diagnostischer und virtueller Planungssoftware auch das Operationswerkzeug im 3D-Modell genau positioniert werden, was auf jedem Multimedia-fähigen Computer rekonstruiert werden kann. Mit zwei Simulatoren können Chirurgen zudem die Schnittführung bereits im Vorfeld der eigentlichen Operation am virtuellen Modell proben. Das Programm simuliert sowohl Beschaffenheit des Lebergewebes als auch Gefäßwiderstand, und Anwendern zufolge ist der Unterschied zwischen Modellsimulation und echtem chirurgischen Bildmaterial minimal. Die Simulatoren eignen sich auch für die chirurgische Ausbildung. Eine wichtige Komponente des Systems ist das Kommunikationssystem Argonaute, mit dem Chirurgen die Operation von außen mitverfolgen und anhand der dreidimensionalen Daten medizinische Beratung liefern können. Die Projektpartner aus Frankreich, Deutschland und Norwegen planen bereits die Markteinführung der neuen Technologien und den Einsatz des neuen Systems in Krankenhäusern. Seit Juni 2008 werden die im Rahmen von Odysseus begonnenen Forschungsbemühungen durch das Projekt PASSPORT fortgeführt. PASSPORT generiert biologische, mechanische, dynamische und geometrische Daten für das von Odysseus entwickelte Modell. Die Projektpartner haben bereits verbesserte Software-Versionen frei zugänglich im Internet veröffentlicht.
Länder
Deutschland, Frankreich, Norwegen