Die Papageien, die die Anden überquerten
Die südamerikanischen Anden können ziemlich unwirtlich sein, und für einige Vogelarten stellen sie auch ein Gebiet dar, das man besser nicht betritt. Arten, die auf beiden Seiten des Gebirges in gemäßigteren Klimazonen leben, überqueren dieses tückische Gebirge mit seinen Gletschern, Salzwüsten und Hochsteppen nur äußerst selten, wenn überhaupt. Jetzt haben europäische Forscher allerdings herausgefunden, dass die Vorfahren des Felsensittichs (Cyanoliseus patagonus) im heutigen Chile lebten und von dort aus die Anden ein einziges Mal erfolgreich überquerten. Die Wissenschaftler kommen von der Universität Freiburg und vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Deutschland und vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung in Wien, Österreich. Durch die Analyse des Erbguts der Felsensittiche konnte das Team untersuchen, wie Tierarten natürliche Hindernisse überwinden und sich in geeigneten Lebensräumen ausbreiten können, denn sie sind zur Brut an besondere Plätze gebunden und die Zahl der Brutplätze ist überschaubar. "Die Ergebnisse sind faszinierend", kommentiert einer der Forscher, Juan F. Masello vom Max-Planck-Institut für Ornithologie. "Entgegen unserer Erwartung ist die Art ursprünglich auf der Pazifikseite der Anden entstanden, wo sich heute Chile befindet und wo heute nur kleine Kolonien vorkommen. Von dort überquerte die Art nur ein einziges Mal erfolgreich die Anden. Aus dieser Startpopulation haben sich in Argentinien zwei neue Unterarten entwickelt. Davon hat sich eine erfolgreich entlang der Flüsse bis zum Atlantik ausgebreitet, wo jetzt die größten Kolonien zu finden sind. In El Condor bildet die Art die weltweit größte Kolonie aller Papageienvögel, mit mehr als 35.000 Paaren." Die farbenfrohen Felsensittiche brüten in Kolonien in Sandstein- und Kalkfelsen, vor allem entlang von Flüssen in den Tälern zu beiden Seiten der Anden und an Steilküsten am Atlantik. Die Forscher haben auf zwei Sammelreisen von über 13.000 Kilometer Länge insgesamt 66 Felsensittichkolonien entdeckt und von dort gemauserte Federn eingesammelt. Mithilfe des Erbguts aus diesen Federn konnten sie dann die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den einzelnen Kolonien entschlüsseln. "Die genetischen Daten konnten durch Altersbestimmungen von Fossilien in einen zeitlichen Rahmen gebracht werden", sagt Petra Quillfeldt, ebenfalls vom Max-Planck-Institut für Ornithologie. "So konnten wir abschätzen, dass die Überquerung der Anden vor über 120.000 Jahren stattgefunden hat." Das Team vermutet, dass die Überquerung im Bereich der Hochanden nahe des Aconcagua (6.962 m), wahrscheinlich über einen Pass von über 3.000 Meter Höhe, erfolgte. Die Erkenntnisse aus dieser Studie werden auch in gewisser Weise zum Schutz und zur Verbesserung der Erhaltung der verschiedenen Unterarten beitragen. Ein Beispiel ist die chilenische Unterart: Von diesem vom Aussterben bedrohten Vogel existieren nur noch 5.000 bis 6.000 Exemplare. Leider werden immer noch zu viele Tiere gefangen und als Haustiere verkauft. Eine Verstärkung der Schutzbemühungen ist auch wegen der starken genetischen Trennung der chilenischen Unterart besonders dringend. Ähnliches gilt für die nördliche Unterart in Argentinien, von der nur noch 2.000 Paare in der Wildnis brüten. Die zahlenmäßig größte Unterart in Patagonien (Südargentinien) ist zunehmend von Habitatzerstörung betroffen, da hier die Steppe zugunsten einer Ausweitung des Sojaanbaus gerodet wird.Weitere Informationen unter: Max-Planck-Institut für Ornithologie: http://www.orn.mpg.de/index_en.html(öffnet in neuem Fenster)
Länder
Argentinien, Österreich, Chile, Deutschland