Neue Werkzeuge für die Digitalisierung der verschwenderischen Modebranche
Technologie kann die Modebranche, in der es üblich ist, Dinge nach ihrem Gebrauch zu entsorgen, verändern, indem wichtige Phasen in Entwurf und Produktion von Bekleidung digitalisiert werden und ein Wandel in Richtung einer Zukunftsvision der Bekleidungsherstellung nach Bedarf in Gang gesetzt wird. Das EU-finanzierte Projekt AVATAR zielte ursprünglich darauf ab, digitale 3D-Avatare von Käufern zu entwickeln, um die Anprobe zu personalisieren und die Auswahl der Bekleidung zu individualisieren. Das Team änderte allerdings seinen Fokus, da die im Rahmen des Projekts durchgeführte Machbarkeitsstudie große Lücken in der Modebranche aufdeckte. „Wir sind von der ersten Idee, Avatare zu entwickeln – Avatar-Technologien gibt es bereits, auch wenn sie nur eine begrenzte Funktionalität aufweisen – zu einem neuen Modell der Modebranche übergegangen“, sagt Projektkoordinatorin Kateřina Čihařová, Geschäftsführerin der Innovation Leadership Agency (ILA) in Prag. „Es gibt eine Dissonanz zahlreicher Technologien als Teillösungen für Teilprobleme in der Branche“, sagt Ivan Dvořák, Gründer und geschäftsführender Direktor von ILA. „Wir haben sowohl die Innovations- und Technologielandschaft als auch Angebot und Nachfrage im Markt im Bereich der digitalen Mode kartiert. Dabei sind wir auf Lücken im Markt gestoßen. Wir betrachten es als eine Geschäftschance, den gesamten Prozess des Entwurfs und der Produktion digitaler oder virtueller Bekleidung zu integrieren.“
Ineffizienter und verschwenderischer Prozess
„Die Textil- und Bekleidungsproduktion ist sehr ineffizient und für die Umwelt verheerend“, erklärt Dvořák. „Etwas 75 bis 85 Prozent der produzierten Kleider werden nie getragen“; ergänzt er. „Große Modehäuser stellen eine Kollektion vor, haben sie einige Wochen und werfen sie dann weg. Es entstehen enorm viel Abfall, der Prozess verbraucht riesige Mengen an Wasser und durch das Färben ergibt sich eine erheblich Umweltverschmutzung. Mikrofasern aus der Bekleidung verschmutzen die Weltmeere. Und die Branche wächst und wächst.“ Das Projekt AVATAR strebt eine Zukunft an, in der Bekleidung nur hergestellt wird, wenn alles von der Kundschaft abgesegnet wurde. Das Team geht allerdings davon aus, dass jeder einzelne Aspekt des Entwurfs und der Produktion digitalisiert und integriert werden muss, bevor dies in die Praxis umsetzbar ist.
Digitalisierung von Passform und Mustern
Die Projektvision einer völlig anderen Art der Branche beginnt mit dem Avatar auf Mobiltelefonen, der den Körper in Echtzeit vermisst und eine digitale Verkörperung erzeugt. Die Kundschaft besucht dann eine Schneiderei, eine spezialisierte Agentur oder einen Online-Shop und sucht sich digitale Bekleidung aus, um den Avatar anzuziehen. „Es werden digitale Anpassungen vorgenommen und betrachtet, wie es aussieht. Wir arbeiten daran, dass sich diese Avatare bewegen können, sodass sie als Teil der Vision, Bekleidung ohne Abfall herzustellen, auch als Models für eine Modenschau oder den Laufsteg eingesetzt werden können“, erklärt Čihařová. In Zusammenarbeit mit Modemessen und Modeagenturen wird eine Bibliothek mit Avataren gebuchter Models entwickelt, wodurch sich die Notwendigkeit reduziert, dass diese Damen und Herren für Anproben anreisen müssen. Das Projekt hat außerdem eine Bibliothek mit 3D-Bekleidungsteilen erstellt, die Schnittmuster enthält, die digital angepasst werden können, um Papier zu sparen. Zurzeit verfügt die Bibliothek über 260 Kleidungsstücke in 3D. Es sollen insgesamt rund 800 Teile digitalisiert werden. „Wir können Modedesignern und Bekleidungsherstellern einen Werkzeugsatz einschließlich der Bibliothek sowie unterstützender Beratung bereitstellen, um ihnen zu helfen, mit dieser neuen integrierten Technologie zurechtzukommen“, so Dvořák. „Die großen Unternehmen machen alles intern, aber mittelgroße Firmen werden diesen Teil ihrer Arbeit auslagern.“ Das Unternehmen prüft zurzeit das Interesse und bietet Modedesignern Avatare und digitale Muster gemeinsam mit einem Fragebogen für Rückmeldungen zum kostenlosen Download an. Die Reaktionen waren bisher recht unterschiedlich. „Ältere bekannte Designer stemmen sich dagegen und sehen es als einen Verrat an ihrer Kunst. Auf der anderen Seite sind viele jüngere Menschen begeistert“, ergänzt Dvořák.
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