CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

European Colonial Heritage Modalities in Entangled Cities

Article Category

Article available in the following languages:

Zuhören ist der Schlüssel für einen wahrhaft interkulturellen Dialog

Ein offenerer und ehrlicherer Dialog über Kolonialismus ist essentiell dafür, dass Europa sich vollständig mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen, mit der Welt verbinden und eine wahrhaft multikulturelle Zukunft aufbauen kann.

Gesellschaft icon Gesellschaft

Transatlantische Sklaverei, der Umgang mit indigenen Völkern, die Auferlegung eurozentrischer Rechts- und Verfassungsnormen für Personen in den Kolonien; all das sind Beispiele historischer Prozesse, die unzertrennlich mit der Idee der eurozentrischen Macht und rassischen (wie kulturellen) Überlegenheit verbunden sind. „Viele dieser Ideen und Einstellungen existieren noch immer – als Echos der kolonialen Vergangenheit“, erklärt der Projektkoordinator von ECHOES, John Oldfield, Professor für Sklaverei und Emanzipation an der Universität Hull im Vereinigten Königreich. „Die aktuelle COVID-19-Pandemie hat beispielsweise die tiefen wirtschaftlichen Ungleichheiten aufgedeckt. Außerdem gab es Äußerungen, dass der globale Süden aus den wissenschaftlichen Kooperationen hinsichtlich COVID vollständig ausgeschlossen wurde.“ Zusätzlich merkt Oldfield an, dass die massiven weltweiten Proteste nach dem Mord an George Floyd im Mai 2020 häufig mit dem Niederreißen von Statuen an öffentlichen Orten in Europa einhergingen, die mit dem europäischen Kolonialismus in Verbindung gebracht werden. „Durch die Auseinandersetzung mit dieser verzwickten Geschichte wollten wir das schwierige Kolonialerbe ‚europäisieren‘“, fügt er hinzu. „Die Geschichte und das Erbe des europäischen Kolonialismus ‚totzuschweigen‘ ist nicht nur für Europas Stand und Ruf in der Welt problematisch, sondern auch für diejenigen, die durch diese historischen Prozesse marginalisiert wurden. Viele von ihnen sind Migrierende aus den ehemaligen Kolonien Europas.“

Anderen Stimmen zuhören

Am Anfang des ECHOES-Projekts stand die konzeptionelle Bestimmung der Idee des Kolonialerbes. „Was bedeutet das und wofür steht es?“ fragt Oldfield. „Erbe ist kein ‚Ding‘ – eine bestimmte Sammlung weißer Errungenschaften – sondern eher ein Diskurs. Es ist die Art, wie man über Objekte und Phänomene denkt und schreibt. Letztendlich sprechen wir von einer viel breiter gefassten und inklusiveren Idee des Erbes.“ Oldfield und sein Team arbeiteten zusammen mit Museen wie dem Amsterdam Museum und dem Museum von Warschau, die an vorderster Front der Bemühungen stehen, ihre Sammlungen zu entkolonisieren. Auch viele zeitgenössische Kunstschaffende haben sich auf neue und spannende Arten mit dem Kolonialismus auseinandergesetzt. „Auch Bürgergruppen halfen dabei, die offiziellen Narrative des europäischen Erbes zu hinterfragen, etwa durch geführte Wanderungen, Aufführungen und kulturelle Veranstaltungen“, sagt Oldfield. „Wir haben einen Großteil dieser Aktivitäten detailliert zusammengetragen, von Bristol bis Marseille, von Lissabon bis Rio de Janeiro, von Kapstadt bis Amsterdam.“ Das ECHOES-Projekt hat dabei immer wieder die Bedeutung von Bevölkerungsbewegungen und unabhängigen kulturellen Agierenden wie Kunstschaffenden, Kuratorinnen und Kuratoren sowie Praktizierenden im Bereich des Erbes betont. „Diese Agierenden bieten eine reiche Erfahrungs- und Wissensquelle, die in Praktiken bezüglich Erbe integriert werden müssen“, merkt Oldfield an. „Dazu gehört auch ‚aktives Zuhören‘. Das ist ein Ansatz, bei dem das Zuhören auf einem ehrlichen Interesse an der Perspektive Anderer beruht.“

Eine neue Diplomatie

Diese neuen Ansätze zum Verständnis der europäischen Kolonialgeschichte werden dabei helfen, Fachgebiete wie Geschichte und Erbe, Politikwissenschaft und Museologie zu beeinflussen. Oldfield vertritt die Meinung, dass die sogenannte Flüchtlingskrise, COVID und #BlackLivesMatter die Debatte über Kultur und Erbe angeregt haben. „Wie befürworten die ‚neue Diplomatie‘, eine Art Wiederbelebung der internationalen kulturellen Beziehungen“, sagt er. „Zuhören und die Fähigkeit, einen ehrlichen interkulturellen Dialog aufzubauen, sind Kompetenzen, die Politikerinnen und Politiker sowie EU-Amtspersonen auf allen Ebenen regelmäßig üben müssen. Wir glauben, dass diese Debatten eine Möglichkeit für Europa darstellen, seine Beziehungen zu seiner Kolonialgeschichte zu überdenken.“ Anders ausgedrückt muss die Geschichte des Kolonialismus ihren Platz in gegenwärtigen Narrativen von Europa finden. „Dieser schwierige Geschichtsabschnitt sollte ein produktives Element bei Europas Auseinandersetzung mit der Welt sein und keine unangenehme Stille, die seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft heimsucht“, meint Oldfield abschließend.

Schlüsselbegriffe

ECHOES, Kolonialismus, indigen, Sklaverei, Erbe, interkulturell, Geschichte, Rasse

Entdecken Sie Artikel in demselben Anwendungsbereich