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Calibration and integration of peripheral and foveal information in human vision

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Wie das Gehirn unterschiedliche visuelle Informationen verarbeitet und integriert

Obwohl es kaum 1 % unseres Sichtfeldes ausmacht, meinen wir in Bezug auf das Sehen meist das foveale (zentrale) Sehfeld, das zu Aufgaben wie dem Lesen dient. Auch die Forschung konzentriert sich meist auf das foveale Sehen. PERFORM hat sich hingegen der Rolle des peripheren Sehens gewidmet und sich mit der Frage beschäftigt, wie die Verarbeitung dieser beiden Formen des Sehens im Gehirn verknüpft ist.

Grundlagenforschung icon Grundlagenforschung

Die Fovea centralis (Sehgrube) deckt lediglich einen Sehwinkel von 1 bis 2 Grad ab. Das periphere Sichtfeld ist wesentlich größer und für unsere Orientierung und Navigation entscheidend – allein mit dem kleinen Sehwinkel der Sehgrube würden wir uns sehr schwer tun. Beide Sehfelder werden auf sehr unterschiedliche Weise verarbeitet. Das Projekt PERFORM untersuchte mit Unterstützung durch den Europäischen Forschungsrat, wie das Gehirn mit so unterschiedlichen visuellen Informationen umgeht, um kohärente Repräsentationen der Umwelt aufzubauen. Das Projekt fand heraus, dass das Gehirn periphere Informationen nicht einfach über Bord wirft, sobald vorrangige foveale Informationen verfügbar sind, sondern beide vergleicht, um ihre relative Zuverlässigkeit zu beurteilen. „Bei diesem Prozess, der sogenannten transsakkadischen Wahrnehmung, handelt es sich um eine hochkomplexe und noch kaum verstandene Berechnung. Wir konnten das Interesse an diesem Thema neu entfachen“, ergänzt Projektkoordinator Alexander Schütz von der Philipps-Universität Marburg, dem Projektträger. Die Projektergebnisse wurden sogar in einer Sonderausgabe des Fachblattes „Journal of Vision“ vorgestellt.

Der transsakkadischen Integration auf der Spur

Die Verarbeitung der fovealen Sehreize ist auf eine hohe Sehschärfe und die Farbwahrnehmung ausgerichtet. Die Verarbeitung von peripheren Sehreizen ist hingegen für ein weites Sichtfeld optimiert und daher weniger aufwendig. Die periphere Sicht dient also zur Navigation und zur Verortung von Objekten, kann jedoch keine Gewissheit über Details geben. Zum Ausgleich führt das Auge schnelle Bewegungen aus, die als Sakkaden bezeichnet werden. Dadurch kann die Reizverarbeitung zwischen beiden Sichtfeldern wechseln. „Im Rahmen von PERFORM wendeten wir Erkenntnisse und mathematische Modelle aus dem Bereich der multisensorischen Wahrnehmung auf die visuelle Verarbeitung an, vor allem auf die Integration von peripheren und fovealen Informationen, der sogenannten transsakkadischen Integration“, erläutert Schütz. Das Team führte in einem Labor mit schwarzen Wänden, Spezialmonitoren und einem Blickverfolgungsgerät (Eye-Tracker) eine Reihe von psychophysischen Experimenten mit Kindern und Erwachsenen durch. Während die Augenbewegungen der Teilnehmenden verfolgt wurden, reagierten sie auf visuelle Reize in ihrer Peripherie und richteten ihren Blick automatisch darauf – führten also Sakkaden aus. Sie wurden gebeten, verschiedene Aufgaben zur Wahrnehmungsdifferenzierung auszuführen, wie etwa Beurteilungen in Bezug auf den Standort, die Orientierung oder die Farbe der Reize. Die Ergebnisse wurden mit einem Computermodell verglichen, das prognostizierte, wie die Teilnehmenden die peripheren und fovealen Informationen voraussichtlich gewichten würden.

Visuelle Entwicklung und Strategien

Besonders wichtig war unter anderem die Erkenntnis, dass die Präzision des visuellen Systems und des Blickbewegungssystems bei Kindern eingeschränkt ist. So konnten 7- bis 12-Jährige bei einem Experiment Positionsänderungen der Reize schlechter erkennen als Erwachsene, und auch ihre Blickbewegungen waren deutlich variabler. Diese Kinder berichtigten ihre Fehler jedoch durch anschließende Blickbewegungen, die schneller waren als bei den Erwachsenen, was auf eine inhärente Kompensation von bestehenden Einschränkungen schließen lässt. Das Team konnte außerdem zeigen, dass die transsakkadische Integration durch die Aufmerksamkeit und das Erinnerungsvermögen eingeschränkt ist und immer nur auf ein ausgewähltes Objekt bezogen ist. „Sie schien nicht mehr zu funktionieren, oder zumindest beeinträchtigt zu sein, sobald wir einen Ablenkungsreiz hinzufügten oder die Teilnehmenden sich einen anderen Reiz merken mussten“, so Schütz. Eine weitere Erkenntnis betraf das sogenannte foveale Stäbchenskotom. Bei dunklen Lichtverhältnissen nutzt das menschliche Auge Stäbchenphotorezeptoren. Da diese in der Sehgrube jedoch nicht vorhanden sind, ist unklar, wie die Kompensation eigentlich stattfindet. „Wir stellten fest, dass diese fehlenden Informationen nahtlos aus der Umgebungsinformation ergänzt werden, ohne dass es zu einer Wahrnehmungsverzerrung an der Fovea centralis kommt. Obwohl diese Informationen lediglich abgeleitet sind, verließen sich die Teilnehmenden stärker darauf als auf die tatsächlichen peripheren Informationen“, merkt Schütz an. Aus dieser Erkenntnis entstand das neue Projekt SENCES, das untersucht, wie das Gehirn Lücken in den sensorischen Informationen vervollständigt und seine eigenen kompensatorischen Ableitungen mit tatsächlichen sensorischen Informationen vergleicht.

Schlüsselbegriffe

PERFORM, Sicht, Fovea centralis, Sehgrube, Augen, peripher, periphere Sicht, Sakkaden, Photorezeptoren, Wahrnehmung, Orientierung, Navigation, Gehirn

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