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Inhalt archiviert am 2024-04-19

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Schutzbedürftigkeit und ihre Rolle bei der Frage, wer Schutz erhält

Wie sehen die vorhandenen Schutzmechanismen für Geflüchtete, Migrierte und Asylsuchende in der Praxis aus? Ein EU-finanziertes Projekt ging dem in einem Bericht auf den Grund.

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Die Notwendigkeit für Länder, schutzbedürftige Gruppen wie Migrierte und Geflüchtete zu schützen, ist offensichtlich. Doch wie ermitteln verschiedene Staaten diese Schutzbedürftigkeit, und wie gehen sie damit um? In einem kürzlich im Rahmen des EU-finanzierten Projekts VULNER veröffentlichten Bericht werden aktuelle Schutzmechanismen für Geflüchtete, Migrierte und Asylsuchende, die als schutzbedürftige Gruppen gelten, untersucht und anschließend mit den tatsächlichen Erfahrungen betroffener Personen verglichen. In der ersten Phase des Projekts VULNER wurden sieben Länderberichte zu den verschiedenen staatlichen Regelungen und Praktiken erstellt, mit denen die Schutzbedürftigkeit von Migrierten, Geflüchteten und Asylsuchenden festgestellt und durch entsprechende Hilfeleistungen angegangen wird. Die für die Studie herangezogenen Länder waren Belgien, Kanada, Deutschland, Italien, Libanon, Norwegen und Uganda. Die Ergebnisse basieren auf rechtlichen Analysen der nationalen Gesetzgebung, Verwaltungsrichtlinien und Rechtsprechung in den einzelnen Ländern und wurden durch 216 ausführliche Interviews mit Sozial- und Hilfskräften, im öffentlichen Dienst Tätigen und rechtsprechenden Personen ergänzt.

Die unterschiedlichen Bedeutungen von Schutzbedürftigkeit

Dieser Forschungsbericht zeigt im Kontext der sieben Länderberichte, dass der Begriff „Schutzbedürftigkeit“ je nach Verwendung unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Mit anderen Worten: Wird er als analytisches Werkzeug für die empirische Untersuchung menschlicher Erfahrungen oder als „rechtliches und bürokratisches Werkzeug zur Anpassung staatlicher Interventionen an die Bedürfnisse der Menschen“ verwendet? Der Bericht zeigt auch, dass Schutzbedürftigkeit bei Weitem kein neutraler Begriff ist, sondern vielmehr „implizite ideologische Bedeutungen und Auffassungen von Gleichheit“ mit sich bringt, die bei der Gestaltung der Beurteilungen von Schutzbedürftigkeit eine Rolle spielen – also wenn es darum geht, zu bestimmen, wer Schutz erhalten soll. Der Autor des Forschungsberichts und wissenschaftliche Koordinator des Projekts Dr. Luc Leboeuf vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung kommentierte die Ergebnisse in einer auf „idw“ veröffentlichten Pressemitteilung: „Es ist faszinierend zu sehen, wie ein scheinbar übereinstimmendes politisches Ziel, das auf UN- und EU-Ebene festgelegt wurde, wie der Schutz der am stärksten gefährdeten Menschen, auf sehr unterschiedliche Weise verstanden werden kann und zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt. Die beeindruckende Menge an Daten, die während der ersten Forschungsphase gesammelt wurde, zeigt eine große Vielfalt an Ansätzen zur Identifizierung schutzbedürftiger Personen und zum Umgang mit ihren Bedürfnissen in den untersuchten Ländern – von standardisierten Verfahren zur Bewertung der Schutzbedürftigkeit bis hin zu flexiblen Prozessen, die den zuständigen Beamten großen Spielraum lassen. Das ermöglicht es uns, die jeweiligen Nachteile der einzelnen Ansätze besser zu erfassen. Wir sind schon sehr gespannt darauf, unsere Analyse dahingehend zu vertiefen, wie sich diese verschiedenen Ansätze auf die Lebenswirklichkeit der Migranten auswirken.“ Der Bericht von VULNER (Vulnerabilities under the Global Protection Regime: how does the law assess, address, shape, and produce the vulnerabilities of protection seekers?) hebt die Gefahren hervor, die es birgt, sich zu sehr auf standardisierte Beurteilungen der Schutzbedürftigkeit zu verlassen. Solche Beurteilungen helfen dabei, unmittelbare praktische Bedürfnisse u. a. auf der Grundlage von Alter, Geschlecht und schwerwiegenden Gesundheitsproblemen zu ermitteln. Wenn diese Kriterien jedoch zu endgültigen Konsequenzen führen, können sie den staatlichen Beteiligten die erforderliche Flexibilität entziehen, um den Bedürfnissen der schutzbedürftigen Personen, für die sie die Verantwortung tragen, gerecht zu werden. Eine Fachkraft für soziale Arbeit in Norwegen beschrieb in der „idw“-Pressemitteilung den Nachteil dieses Ansatzes: „Wir erfassen die schwerwiegenderen Dinge, wie etwa Behinderungen oder wenn eine Person taub ist. In diesen Fällen weiß man, dass etwas getan werden muss. Weniger sichtbare Bedürfnisse sind schwieriger zu entdecken. Verletzungen, die durch die Geschehnisse in ihrem Heimatland oder auf der Reise nach Norwegen verursacht wurden, sind nicht so leicht zu benennen.“ Weitere Informationen: VULNER-Projektwebsite

Schlüsselbegriffe

VULNER, schutzbedürftig, Schutzbedürftigkeit, Migrierte, Geflüchtete, Asylsuchende, Schutz

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