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Grab eines weiblichen Babys gestattet Blick in die europäische Mittelsteinzeit

Der älteste dokumentierte Beweis für die Bestattung eines kleinen Mädchens in Europa verschafft uns Einblicke in die Begräbnisrituale und speziell die Wahrnehmung von weiblichen Kindern als Person im Frühmesolithikum.

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Ein im Rahmen der EU-finanzierten Projekte SUCCESS, RESOLUTION und HIDDEN FOODS unterstütztes internationales Forschungsteam entdeckte kürzlich die älteste in Europa dokumentierte Begräbnisstätte eines weiblichen Säuglings. Das 10 000 Jahre alte Grab liefert wertvolle Erkenntnisse über die von den prähistorischen jagenden und sammelnden Menschen im Frühmesolithikum ausgeübten Bestattungspraktiken. Begräbnisrituale geben Aufschluss über den Glauben und die Struktur früherer Gesellschaften. Laut der in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie fand bei vielen Kulturen die Anerkennung von Säuglingen und Kleinkindern als individuelle Menschen mit einer gewissen Verzögerung statt; „sie befanden sich vorerst in einem Übergangszustand zum Menschsein“. Die Art der Bestattung von Kleinkindern zeigt uns, wer als Person anerkannt wurde, wem die Eigenschaften eines Individuums zuerkannt wurden und wer Teil einer Gruppe war. Dieses Grab berichtet uns also darüber, dass auch kleine Mädchen in dieser mesolithischen Gesellschaft als vollwertige Personen betrachtet wurden. Die Begräbnisstätte wurde in einer Höhle in Ligurien im Nordwesten Italiens entdeckt und enthielt neben den Überresten des weiblichen Babys mindestens 66 dekorative Muschelperlen, vier Anhänger und eine Uhukralle. Der Studie zufolge weisen diese Artefakte auf „erhebliche materielle und emotionale Investitionen in die Bestattung des Kindes“ hin. Viele der Schmuckstücke zeigen erhebliche Abnutzungserscheinungen, was beweist, dass sie von Mitgliedern der Gruppe getragen wurden, die sie dann an das kleine Mädchen weitergaben, das vom Team den Namen Neve erhielt. „Es gibt etliche Aufzeichnungen über menschliche Bestattungen vor etwa 14 000 Jahren“, stellt die leitende Autorin der Studie, Assistenzprofessorin Jamie Hodgkins von der University of Colorado Denver (CU Denver), in einem auf der Website „SciTechDaily“ veröffentlichten Artikel fest. „Über Bestattungsrituale gegen Ende des Jungpaläolithikums und im frühesten Teil des Mesolithikums ist jedoch weniger bekannt. Kindergräber sind ganz besonders selten, sodass uns Neve wichtige Informationen liefert, um diese Lücke zu schließen.“ „Das Mesolithikum ist besonders interessant“, ergänzt Koautorin Caley Orr, gleichfalls Assistenzprofessorin an der CU Denver. „Es folgte dem Ende der letzten Eiszeit und gilt als der letzte Zeitabschnitt in Europa, in dem das Jagen und Sammeln die wichtigste Form des Lebensunterhalts darstellte. Deshalb ist es ein wirklich wichtiger Zeitraum, um die Vorgeschichte des Menschen zu verstehen.“

Zähne geben Hinweise

Eine Analyse der Zähne ergab, dass das Mädchen im Alter von 40 bis 50 Tagen starb. Hervorgehobene Linien im pränatalen Zahnschmelz offenbaren, dass entweder Neve oder ihre Mutter Stress durchlebten, der 47 und 28 Tage vor ihrer Geburt das Wachstum ihrer Zähne bremste. Weitere Analysen der Zähne des Säuglings legen nahe, dass sich die schwangere Mutter ähnlich wie die Menschen des späten Jungpaläolithikums in dieser Gegend von dem ernährte, was das Land hergab. „Wir haben hier das älteste Grab eines weiblichen Babys in Europa gefunden“, betont Assistenzprofessorin Hodgkins. „Archäologische Berichte haben sich bisher eher auf männliche Geschichten und Rollen konzentriert. Dabei wurde das Leben vieler anderer Menschen übersehen. Anhand von Protein- und DNA-Analysen können wir nun die Vielfalt des Menschseins und des Persönlichkeitsstatus in der Vergangenheit viel besser verstehen. Ohne DNA-Analysen wäre dieses reich geschmückte Kindergrab möglicherweise für das eines Jungen gehalten worden.“ Die Projekte SUCCESS (The earliest migration of Homo sapiens in Southern Europe: understanding the biocultural processes that define our uniqueness) und RESOLUTION (Radiocarbon, tree rings, and solar variability provide the accurate time scale for human evolution and geoscience) sind an der Universität Bologna, Italien, angesiedelt. HIDDEN FOODS (Plant foods in Palaeolithic and Mesolithic societies of SE Europe and Italy) wurde von der Universität La Sapienza in Rom ausgerichtet. Weitere Informationen: SUCCESS-Projektwebsite RESOLUTION-Projektwebsite Projekt HIDDEN FOODS

Schlüsselbegriffe

SUCCESS, RESOLUTION, HIDDEN FOODS, Grab, Begräbnis, Bestattung, Säugling, Kleinkind, Mesolithikum, Europa

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