Lösungsmittelfreie Lacke für die Industrie
Industrielle Schutzanstriche machen Konstruktionen wie Brücken und Offshore-Bohrinseln korrosionsbeständig, verlängern die Haltbarkeit und reduzieren den Wartungsaufwand. Pulverbeschichtungen sind hierfür meist besser geeignet als wasserlösliche Beschichtungen, haben allerdings auch mehrere Nachteile. „Pulverbeschichtungen enthalten oft schädliche Stoffe und müssen im Ofen ausgehärtet werden“, erläutert Yannick Pialat, Projektkoordinator von KEMISTATIC beim Unternehmen Kemica Coatings, Frankreich. „Dies erhöht den Energieverbrauch und macht sie ungeeignet für Oberflächen aus Holz oder natürlichen Polymeren, z. B. bei Rotorblättern von Windanlagen.“
Optimierte Beschichtungen
Da durchaus Nachfrage nach energieeffizienten und umweltfreundlichen Beschichtungen besteht, sollte Pialats Unternehmen nun eine Alternative entwickeln. Die verwendete Elektrospritztechnologie basiert auf dem Prinzip des elektrostatischen Sprühens. Die patentierte Beschichtung ist frei von Lösungsmitteln und flüchtigen organischen Verbindungen und wird negativ aufgeladen. Durch elektrostatische Anziehung werden die Tröpfchen beim Sprühen vom Werkstück angezogen, sodass der Prozess sehr schnell abläuft und weniger Reststoffe anfallen. „Der elektrostatisch aufgeladene Sprühnebel verteilt die Lacktröpfchen gleichmäßig überall“, erklärt Pialat, „sodass sich die Lackschicht sehr dünn auftragen lässt.“ Und das System hat noch weitere Vorteile: „Die beiden zunächst noch getrennten Komponenten – Basis und Härter“, so Pialat, „werden vermischt, was eine chemische Reaktion erzeugt. Durch dieses Polymerisieren verfestigt sich das Produkt langsam, sodass die Schnelligkeit der Reaktion nach Bedarf einstellbar ist.“ KEMISTATIC sollte nun den vom Unternehmen entwickelten Prototypen des elektrostatischen Sprühsystems für ein breiteres Anwendungsspektrum optimieren und das System für den industriellen Einsatz skalieren. „Definitiv sollte aber vor allem das Anwendungsspektrum erweitert werden“, so Pialat. „Und obwohl unsere Beschichtung für kleinere Werkstücke derzeit noch eher ungeeignet ist, könnten damit sicher bald auch Stühle oder Stifte industriell beschichtet werden.“ Hierfür wurde der jetzige Demonstrator neu ausgerüstet, sodass auch industrielle Lösungen möglich sind, etwa die Beschichtung von Fensterrahmen und Türen bis hin zu großflächigeren Infrastrukturen. Der Erfolg der Innovation beruht, davon ist Pialat überzeugt, vor allem auf ihrem Potenzial für flexible und maßgeschneiderte Lösungen.
Marktvorbereitung
„Letztendlich streben wir an, dass die bahnbrechende Technologie herkömmliche Pulverbeschichtungs- und Flüssiglackbeschichtungsverfahren ablöst“, ergänzt Pialat. „Mit dem Projekt haben wir große Fortschritte gemacht hin zu praktikablen industriellen Lösungen. Bislang existiert auf dem Markt kein elektrostatisches, lösungsmittelfreies Sprühsystem für Zweikomponentenharze.“ Vor allem aber ist die Beschichtung flüssig, BPA-frei und härtet bei Raumtemperatur aus, sodass hierfür keine zusätzliche Energie benötigt wird. Einer der neuen Lacke ist auch für den Kontakt mit Lebensmitteln und Trinkwasser zugelassen. „Außerdem demonstrierten wir im Projekt die guten technischen Eigenschaften der Beschichtung“, sagt Pialat, „d. h. gute Anhaftung und Flexibilität auf der Oberfläche (was für die Lackierung beweglicher Teile wichtig ist) sowie chemische Beständigkeit.“ Das Unternehmen will nun die Markteinführung vorantreiben, organisiert bereits hausinterne Demonstrationen und sucht nach potenziellen Industriepartnern für den schnelleren Markteintritt.
Schlüsselbegriffe
KEMISTATIC, Beschichtungen, Elektrostatik, Lösemittel, Anstrich, BPA, chemische Stoffe