Neue Perspektiven für Probiotika der nächsten Generation
Neuere Forschungen gehen davon aus, dass Gesundheit und Zusammensetzung der Darmflora sowohl für die geistige als auch die körperliche Gesundheit von grundlegender Bedeutung sind. Störungen der Darmflora (Mikrobiom) wurden mit einer Reihe von Krankheiten wie Diabetes, Adipositas und Krebs in Verbindung gebracht. Probiotika – d. h. nützliche lebende Bakterien und Hefen – bieten zwar therapeutisches Potenzial, können aber mit bisherigen Verfahren meist nicht effizient im Darm angesiedelt werden. Auch die Artenvielfalt förderlicher Bakterien lässt sich noch nicht replizieren. „Bisherige Probiotika decken nur einen Bruchteil des mikrobiellen Spektrums ab“, erklärt Moran Kopel, Leiter für Produktentwicklung beim Unternehmen Mybiotics Pharma, dem Koordinator des EU-finanzierten Projekts MBSelect. „Viele herkömmliche Probiotika enthalten Bakterienstämme, die zwar einfach anzuzüchten sind, aber mitunter nicht Teil der menschlichen Evolution sind und daher nur bedingt gesundheitsförderlich“, fügt er hinzu.
Entwicklung von Probiotika der nächsten Generation
Einer der Schwerpunkte für die Mikrobiomforschung und die Industrie sind daher Probiotika der nächsten Generation, d. h. spezifische, aus dem menschlichen Darm isolierte Bakterienstämme. Anders als mit dem bisherigen „Rundum-Ansatz“ könnten so Probiotika generiert werden, die auf spezifischere Bedürfnisse abzielen. Die Herstellung solcher Probiotika der nächsten Generation ist allerdings schwierig, da die Zulassung neuer Bakterien strengen Sicherheitsvorgaben unterliegt. Das Projekt MBSelect führte Studien mit zwei patentierten Technologien von MyBiotics durch, um Anzüchtung und Verwendung von Probiotika der nächsten Generation zu optimieren und gleichzeitig den Effekt verschiedener Präbiotika auf menschliche Mikrobiomproben zu untersuchen. „Mit der Innovation von MBSelect ist erstmals die Entwicklung ‚personalisierter‘, maßgeschneiderter Synbiotika möglich – einer Kombination aus Bakterien und präbiotischen Substanzen wie Ballaststoffen, die die Vermehrung kommensaler Probiotika der nächsten Generation fördern“, so Kopel.
Fermentation und optimiertes Screening
Mit einem innovativen Fermentationsprozess konnte MBSelect die Vermehrung, Verabreichung und Ansiedelung erwünschter Bakterienarten im Darm verbessern und spezifische, an Altersgruppen angepasste probiotische Produkte für Kinder, Erwachsene und ältere Menschen entwickeln, da sich die Zusammensetzung der Darmflora und der physiologische Bedarf zeitlebens verändern. Weiterhin züchtete die Arbeitsgruppe auf verschiedensten Präbiotika menschliche Mikrobiomproben im Labor an und verwendete hierfür ihr eigenes Screening-System. Mit spezifischen KI- und maschinellen Lernalgorithmen untersuchte sie dann den Effekt jedes dieser Präbiotika auf die bakterielle Dynamik im Darm. „Auf diese Weise konnte die Mikrobiompopulation von der Umgebung isoliert werden, was genaueren Aufschluss über die eigentliche Dynamik in diesem komplexen Ökosystem gab“, erklärt Kopel.
Fortschritte hin zu personalisierten Mikrobiomtherapien
In Zusammenarbeit mit mehreren internationalen Geschäftspartnern bereitet MyBiotics nun die erste Produktpalette vor und optimiert die Technologie. Damit könnten synbiotische Therapien genauer an die Bedürfnisse einzelner Zielgruppen angepasst werden, indem etwa geografische Herkunft, Ernährungsweise und andere Faktoren berücksichtigt werden, die das Mikrobiom jedes einzelnen Menschen individuell prägen. „Unser Ansatz geht weg von der Ausrichtung auf allgemeine Bevölkerungsgruppen hin zu besser abgegrenzten Zielpopulationen“, schließt Kopel.
Schlüsselbegriffe
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