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Shaping the conflict: The role of judicial and humanitarian forensic knowledge in co-producing collective accounts of violence. A case study of the Colombian (post) conflict

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Forensisches Wissen: Konflikt und Gewalt verstehen

Ein EU-finanziertes Projekt bietet wichtige Einblicke in die Art und Weise, wie das differenzierte Wissen von Forensikfachleuten aus dem gerichtlichen und humanitären Bereich die Darstellung von Konflikten und Gewalt mitgestaltet.

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Gerichte berufen sich häufig auf die Aussagen forensischer Sachverständiger, die Fachgutachten vorlegen. Ihr Wissen über Leben, Tod, Körper, Leichen und Beweise wirkt sich auf unser Verständnis von Konflikt und Gewalt aus. Das Ausmaß dieses Einflusses wurde jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. Hier setzt das EU-finanzierte Projekt Shaping the conflict an, das im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt wird. „Unser Hauptziel war es, die Rolle der Kriminaltechnik in den Vordergrund zu rücken, die der Gesellschaft Elemente zur Verfügung stellt, die die Erfahrungen der Öffentlichkeit und der direkten Opfer von Gewalt und bewaffneten Konflikten prägen“, erklärt María Fernanda Olarte-Sierra, die Projektkoordinatorin. Das Projekt nutzte eine Fallstudie des andauernden kolumbianischen Konflikts bzw. seiner Nachwehen, in der im Bereich der humanitären Maßnahmen tätige und gerichtliche kriminaltechnische Sachverständige versuchen, über den Konflikt Rechenschaft abzulegen.

Mitgestaltende Darstellungen von Konflikt und Gewalt

Shaping the conflict hat dazu beigetragen zu belegen, dass forensische Sachverständige, die im Zusammenhang mit der Übergangsjustiz arbeiten, eine grundlegende Rolle bei der Friedenskonsolidierung und der Wiedergutmachung für die Opfer einnehmen. „Sie sind nicht nur bloße Bezeugende oder sekundäre Beteiligte“, stellt Olarte-Sierra fest. Das Projekt hat außerdem nachgewiesen, dass, obwohl Tod und Sterben in gewalttätigen Kontexten für die Kriminaltechnik ein wohlbekanntes Thema zu sein scheinen, die Arbeit im Rahmen der Übergangsjustiz eine Destabilisierung der forensischen Praxis bedeutet, wie sie diese besonderen Fachleute kennen. „So erfordert der neue Kontext, dass sie ihre Arbeit neu ausrichten und neue Formen der Produktion, des Managements und der Verbreitung von Wissen und Informationen (neu) erlernen“, skizziert Olarte-Sierra. Eine solche Neuanpassung der forensischen Praxis in Übergangskontexten und friedensfördernden Prozessen verdeutlicht, dass die forensische Praxis je nach der Absicht, mit der sie betrieben wird, unterschiedliche Protokolle erfordert. „Dies ist der Fall, weil die Ergebnisse ihrer Erkenntnisse greifbare Auswirkungen auf die Menschen und die Gesellschaften haben, in denen die Forensik betrieben wird. Die Bedürfnisse jedes Kontexts sind spezifisch, und sie gehen davon aus, dass die forensischen Fachkräfte ihre Arbeit je nach Kontext anpassen“, fügt Olarte-Sierra hinzu. Daher gehen die forensische Praxis und die Arbeit der forensischen Sachverständigen über feste und etablierte wissenschaftliche Protokolle hinaus und erfordern Flexibilität. „Wir haben zudem festgestellt, dass Personen in der Kriminaltechnik angesichts der Rolle, die die forensischen Fachleute in Lateinamerika gespielt haben, wichtig für die Erfüllung der Vereinbarungen des kolumbianischen Friedensabkommens mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens – Volksarmee (FARC-EP) in Bezug auf die Identifizierung und die Entschädigung der Opfer sind“, so Olarte-Sierra.

Besseres Verständnis für die Forensik

Shaping the conflict hat ein genaueres Verständnis für die Arbeit kriminaltechnischer Sachverständiger und ihre bedeutende Rolle in Prozessen der Übergangsjustiz und der Wiedergutmachung für Opfer in kriegsgeprägten Kontexten geschaffen. „Wir haben ebenso verdeutlicht, dass forensische Fachkräfte sich in dem Kontext zurechtfinden müssen, in den sie eingebettet sind, und die sozialen und politischen Auswirkungen des Wissens und der Informationen verstehen müssen, die sie produzieren und die sich direkt auf die Verwaltung der (Übergangs-)Justiz und die Bemühungen um Friedenskonsolidierung und Versöhnung auswirken“, erläutert Olarte-Sierra. Das Projekt lieferte außerdem neue Elemente für das Nachdenken über die notwendige Beziehung zwischen kriminaltechnischen Sachverständigen und Opfern in Kontexten von Gewalt oder Übergangsjustiz, indem es die Fachleute als Personen mit Verpflichtungen, Gefühlen und einem Sinn für Ziele darstellte. „Diese Art, forensische Sachverständige anzusprechen und zu verstehen, ist neu und ermöglicht einen Ansatz für die Wiedergutmachung von Opfern, der ihre Rolle als Schlüsselbeteiligte in sozialen, humanitären, friedensschaffenden, juristischen und politischen Szenarien offen einbezieht“, schließt Olarte-Sierra.

Schlüsselbegriffe

Shaping the conflict, forensische Sachverständige, Übergangsjustiz, Opferidentifizierung und Wiedergutmachung, Konflikt und Gewalt, forensische Wissenschaft, Forensik, Kriminaltechnik, kolumbianisches Friedensabkommen

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