Hindert uns das Internet daran, unsere kreativen Kräfte zu entfalten?
Stellen Sie sich vor, Sie werden gebeten, kreative Ideen für ein Meeting über ein neues Projekt zu entwickeln. Viele von uns recherchieren zunächst im Internet, um zu sehen, welche Ideen es bereits gibt. Aber steht Google einer guten Brainstorming-Sitzung zum Gedankenaustausch im Weg? Ein Forschungsteam der Carnegie Mellon University (CMU) in den Vereinigten Staaten empfiehlt, das Internet zu meiden, weil es die Kreativität bei der Ideenfindung behindert. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der Fachzeitschrift „Memory & Cognition“(öffnet in neuem Fenster) veröffentlicht.
Der Fantasie freien Lauf lassen
„Das Internet verdummt uns nicht, aber wir nutzen es vielleicht auf eine Art und Weise, die nicht hilfreich ist“, kommentierte der Hauptautor Daniel Oppenheimer, Professor an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Entscheidungstheorie der CMU, in einer Pressemitteilung(öffnet in neuem Fenster). Fast 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden gebeten, neue Möglichkeiten der Nutzung eines Schilds oder Regenschirms – zweier alltäglicher Gegenstände – zu finden, entweder mit oder ohne Hinzuziehung des Internets. Be einigen Experimenten konnten sie auf die Googlesuche zugreifen, bei anderen jedoch keine Suchmaschine nutzen. Die Forschenden stützten sich bei ihren Versuchen auf die Tatsache, dass bei einer Onlinesuche viele verschiedene Verwendungsmöglichkeiten für Regenschirme zu finden sind, nicht aber für Schilde. Die Ergebnisse zeigten, dass die Gruppen, die Zugang zu Google erhielten, weniger neue Ideen einbrachten. Sie erdachten außerdem andere Ideen, die denen von Internet generierten ähnelten. Diese Gruppen waren nicht in der Lage, neue Ideen für Regenschirme zu präsentieren, wahrscheinlich weil ihr Denken bereits durch die Unmengen an Suchmaschinenvorschlägen eingeschränkt war. Allerdings waren sie bei den Schilden kreativer, da es viel weniger vorhandene Ideen gab. Die Gruppen, die keinen Zugang zu einer Suchmaschine erhielten, agierten weitaus kreativer und nutzten ihre Vorstellungskraft zur Ideenfindung. Die Studie behauptet nun, dass „Fixierungseffekte“ der Grund dafür sein könnten, dass das Internet die Kreativität erstickt. Das ist dann der Fall, wenn eine Person auf eine bestimmte Denkweise fixiert ist und nicht in der Lage ist, über neue oder andere Antworten oder Lösungen für ein Problem nachzudenken. „Diese Studie ist der erste Nachweis für durch Internetsuche bedingte Fixierungseffekte“, stellte Oppenheimer fest.
Mit dem Stift zu Papier bringen
Google nutzt jetzt KI-Funktionen wie AI Overviews, um die Suchergebnisse und das Nutzungserlebnis zu optimieren. Es gibt jedoch noch viel Potenzial für Wachstum und Verbesserungen. „Viele von uns sind dabei, ihre Art der Beziehungen zur Technologie zu überdenken“, erklärt Mark Patterson, Koautor der Studie und Lehrprofessor an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Entscheidungstheorie der CMU. „Es kommt mir so vor, als gäbe es jede Woche irgendeinen verblüffenden neuen Fortschritt, und ich denke, eine Interpretation unserer wissenschaftlichen Arbeit ist eine Erinnerung an die wichtigen Vorteile, die wir als normale Menschen haben, die versuchen, Probleme zu lösen.“ Er führte weiter aus: „Auch wenn es wie eine Nachricht klingt, die von der Vorschullehrerin hätte kommen können. Etwa: ‚Du bist du, du bist anders und du bist einzigartig.‘ Diese Botschaft ist tatsächlich wichtig. Wir wollen uns unsere Individualität und unsere normale, nicht technikgestützte Menschlichkeit bewahren, denn das ist es, was uns Probleme etwas anders lösen lässt als andere Menschen, und das kann sich als wirklich wertvoll erweisen.“ Die Autoren raten dazu, ein altmodisches Brainstorming durchzuführen, bevor dem Internet vertraut wird. „Wir hoffen, dass wir mithilfe der Untersuchung der Wechselwirkung zwischen menschlichem Denken und der Nutzung von Technologie Wege finden können, um das Beste aus dem Internet herauszuholen und dabei gleichzeitig die negativen Folgen zu minimieren“, schloss Patterson.