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The “Extended-Personal Reality”: augmented recording and transmission of virtual senses through artificial-IntelligENCE

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Das Leben durch die Augen anderer intensiv erleben

Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einer belebten Straße in Tokio, spüren ihre Energie, hören das Summen, sehen Neonlichter flackern – und teilen diesen Moment dann, damit auch andere ihn hautnah miterleben können. Dank moderner tragbarer Systeme und mit virtueller Realität verbundener Technologie können andere diese Augenblicke jetzt auf eine Weise erfahren, als wären sie selbst dort.

Was wäre, wenn soziale Medien über Fotos, Videos und Posts hinausgingen und wir dort echte Emotionen weitergeben und sogar Erfahrungen „erneut durchleben“ könnten? Stellen Sie sich vor, Sie spüren den Rausch einer Achterbahnfahrt, schlendern durch ein Museum oder begleiten eine befreundete Person auf ihrer Auslandsreise, als wäre es Ihre eigene –, und Sie tauchen dabei völlig in die Sehenswürdigkeiten, Geräusche und sogar in das Gefühl von Raum und Zeit ein. Das Team des EU-finanzierten Projekts EXPERIENCE(öffnet in neuem Fenster) verfolgte das Ziel, die Art und Weise zu revolutionieren, wie Menschen mittels virtueller Realität (VR) und künstlicher Intelligenz (KI) Erfahrungen aufzeichnen, teilen und verstehen. „Unser Hauptziel bestand darin, jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, seine eigene ‚erweiterte persönliche Realität‘ – eine digitale Nachbildung dessen, was er sieht, hört und fühlt – einzufangen und zu teilen, damit andere diese Momente mithilfe von VR ‚noch einmal erleben‘ können“, erklärt Projektkoordinator Gaetano Valenza.

Virtuelle Welten voller Leben

Im Rahmen von EXPERIENCE wurde auf KI gesetzt, damit alle Menschen automatisch und einfach vollständig immersive virtuelle Erlebnisse erstellen und teilen können. Für realistische virtuelle Umgebungen dieser Art waren bisher fortgeschrittene Programmier- oder 3D-Modellierungskenntnisse erforderlich. Eine weitere technologische Herausforderung bestand darin, besser zu verstehen, wie virtuelle Erlebnisse so natürlich und emotional ansprechend wie echte Erfahrungen gestaltet werden können. „Menschen reagieren auf virtuelle Umgebungen nicht immer auf die gleiche Weise wie auf echtes Erleben. Eine virtuelle Achterbahn fühlt sich möglicherweise nicht so aufregend wie eine echte an, oder ein virtueller Sonnenuntergang ruft möglicherweise nicht dieselben Gefühle hervor“, stellt Valenza fest.

Das gesamte Spektrum der menschlichen Erfahrungswelt erfassen

Innerhalb von EXPERIENCE sind in den Bereichen Technologie, Wissenschaft und klinische Validierung bemerkenswerte Fortschritte erzielt und ein komfortables, tragbares System in medizinischer Qualität erschaffen worden. Über tragbare Sensoren hinaus vereint der Prototyp intelligente Software und KI, um multisensorische Erlebnisse einzufangen und nachzubilden. „Das Wearable besteht aus einer Elektroenzephalografiekappe zur Erfassung von Gehirnsignalen, einem Brustgurt zur Überwachung der Herzaktivität und Atmung sowie Kameras und Mikrofonen zur Aufzeichnung von Bild und Ton“, erläutert Valenza. Die Nutzenden können emotional bedeutsame Momente markieren, wobei alle Daten über Bluetooth oder WLAN an eine mobile App gesendet werden. „Die App verwaltet Aufzeichnungen, lädt Daten hoch und bietet Biofeedback in Echtzeit, beispielsweise zur Herzfrequenzvariabilität und Stimmungsvisualisierungen“, berichtet Valenza. „Mit modernster KI und 3D-Rekonstruktion werden dann realistische digitale Zwillinge physischer Umgebungen erstellt sowie emotionale, physiologische und verhaltensbezogene Daten hinzugefügt. Mithilfe der VR-Schnittstelle können die Nutzenden aufgezeichnete Erlebnisse unter Einsatz von haptischem Feedback etwas „erneut durchleben“, wobei körperliche Empfindungen simuliert werden und die Zeit verlangsamt oder beschleunigt wird, um Momente im eigenen Tempo zu erkunden.“

Veränderte Raum-Zeit-Wahrnehmung

Das Team stand vor der Herausforderung, sicherzustellen, dass das virtuelle Erlebnis echte Gefühle und keine falschen/erzwungenen Reaktionen auslöste. Diese Simulationen mussten außerdem einzigartige mentale, emotionale und verhaltensbezogene Reaktionen auslösen, die auf den spezifischen Eigenschaften der Person beruhen. „Gehirn und Körper reagieren unterschiedlich auf virtuelle und reale Umgebungen, wodurch die Physiologie und die räumliche Wahrnehmung verändert werden“, betont Valenza. „Emotionen beeinflussten die Zeitwahrnehmung: Gesunde Personen erlebten flexible Zeitverschiebungen (Ausdehnung/Kontraktion) auf der Grundlage von emotionalen Inhalten, während Personen mit Depressionen eine verringerte Sensibilität aufwiesen, was die Theorien der ‚Unempfindlichkeit gegenüber emotionalem Kontext‘ bestätigte.“ Während in emotionalen Momenten Hirn- und Herzaktivität eigentlich eng miteinander verknüpft sind, war diese Synchronität bei einer Depression gestört. Auch der Raum beeinflusste die Zeitwahrnehmung: Große virtuelle Räume ließen die Zeit scheinbar langsamer verstreichen. Zu guter Letzt konnte durch eine leichte elektrische Stimulation die durch virtuelle Realität verursachte Übelkeit (VR-Krankheit) reduziert werden.

Schlussfolgerungen für die psychische Gesundheit

Das System verspricht eine hochgradig personalisierte Therapie, bei der virtuelle Umgebungen in Echtzeit angepasst werden, um den emotionalen Zustand einer nutzenden Person auszugleichen. Fühlt sich beispielsweise jemand ängstlich, könnte das System eine beruhigende Umgebung erschaffen, um die Angst zu lindern. „Mit seiner Echtzeit-Stimmungsnachverfolgung, der emotionsbasierten Therapie und den Möglichkeiten zur Rückfallprävention wird es zu einem wirkungsvollen Mittel gegen Depressionen, Angstzustände und Phobien“, bekräftigt Valenza abschließend.

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