Biochemische Signalwege für männliche Unfruchtbarkeit
Die Schäden, die Umwelthormone (endokrine Disruptoren, EDs) bei Mensch und Tier anrichten können, sind außerordentlich Besorgnis erregend. Dabei scheint vor allem das Reproduktionssystem besonders anfällig für Störungen durch hormonaktive Substanzen zu sein, am beunruhigendsten sind jedoch die Auswirkungen auf die männliche Fruchtbarkeit. Wissenschaftler suchen nun nach Ursachen für die in den letzten 20 Jahren zunehmende Unfruchtbarkeit bei Männern. Das EU-finanzierte Projekt GENDISRUPT untersuchte daher Hodenentwicklungs- und Differenzierungsprozesse in männlichen Keimzellen. Dem Projekt lagen Daten aus Studien an Menschen und Tiermodellen zugrunde, die auf neuesten genomischen und proteomischen Verfahren basieren. Die Erforschung genetischer Faktoren für diese hormonellen Störungen erleichtert auch die Suche nach den Ursachen für Suszeptibilität und die zugrunde liegenden biochemischen Vorgänge. Spitzenforscher des Unternehmens Neocodex im spanischen Sevilla untersuchten den KIT/KITLG-Signalweg, der maßgeblich die männliche Fruchtbarkeit beeinflusst. Vorangegangene Studien hatten bereits auf die entscheidende Rolle des KIT-Tyrosin-Kinase-Rezeptors und seines Liganden KITLG für das Überdauern und die Proliferation von Keimzellen hingedeutet. Insgesamt wurden fünf menschliche Gene dieses Signalwegs analysiert, wobei sich herausstellte, dass drei Gene tatsächlich eine genetische Suszeptibilität im männlichen Reproduktionssystem bewirken können, darunter KIT und KITLG. Ein weiteres Gen, das Tumorsuppressor-Gen PTEN, wurde bereits vielfach im Zusammenhang mit männlicher Unfruchtbarkeit erforscht. Da die Analyse einzelner Gene keinen wahren Aufschluss über das Zusammenwirken aller Gene beim Kodieren von Proteinen liefert, entschied sich die Arbeitsgruppe für eine Multilocus-Typisierung, um die kombinierten Effekte dieser Gene zu bestimmen. Zur weiteren Erforschung von Suszeptibilitätsfaktoren in diesen Genen wurden Positionsklonierungsstrategien entwickelt. Anhand dieser Daten kann die Wirkung reprotoxischer Substanzen beurteilt und gegebenenfalls reduziert werden.