CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

Article Category

Story
Inhalt archiviert am 2024-04-23

Article available in the following languages:

Feature Stories - Das schwedische Geschick für die Technik

Ob möglicherweise die Namen Celsius, Linné, Pasche, Nobel, Ericsson, Zennström und Ek irgendetwas gemeinsam haben? Sie haben: All diese berühmten Innovatoren stammen aus Schweden, einem Land mit nur 9 Millionen Einwohnern, das aber auf eine lange Geschichte der Forschung zurückblicken kann und erwiesenermaßen in der Lage ist, für wesentliche wissenschaftliche und technologische Durchbrüche zu sorgen.

Dass ausgerechnet Schweden die Heimat des Nobelpreises ist, ist mehr als nur eine symbolische Verbeugung vor den großen natur- und geisteswissenschaftlichen Errungenschaften; der schwedische Einfallsreichtum ist auch weiterhin Triebfeder des Fortschritts auf vielen Gebieten und insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Der kometenhafte Aufstieg des Musik-Streamingdienstes Spotify ist eine große Sache, betrachtet man die wachsende Liste der Länder, in denen die in Schweden gegründeten Firma seit 2008 an den Start gegangen ist. Die Spotify-Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon gelangten gewissermaßen über Nacht zu Ruhm und rückten in die Avantgarde der europäischen Unternehmer des Internetzeitalters auf. Zu diesen beiden Innovatoren kommt noch ein weiterer Schwede hinzu, der nicht nur die von uns zur Kommunikation eingesetzten Werkzeuge verändert, sondern auch die von uns bei deren Benutzung gesprochene Sprache. Man sollte daran denken, wenn das nächste Mal jemand "Skype Me!" sagt. Und für die zehn Menschen auf dem Planeten, die noch nicht wissen, was das bedeutet: Skype ist ein System, bei dem VoIP-Dienste (Voice-over-Internet Protocol) zum Einsatz kommen, und mit dem die Menschen kostengünstig über das Internet telefonieren können. Das Unternehmen wurde von dem in Schweden geborenen Niklas Zennström mitbegründet und 2011 an Microsoft verkauft. Zu dieser Zeit hatte es rund 700 Millionen Nutzer. Werfen wir einen Blick zurück in die Vergangenheit, so könnte man tatsächlich meinen, dass die Kommunikationstechnik den Schweden im Blut liegt. Lars Magnus Ericsson (1846-1926) gründete das Unternehmen, das noch heute seinen Namen trägt, bereits vor rund einem Jahrhundert. Und heute ist es eines der größten Telekommunikationsunternehmen weltweit. Ende des 19. Jahrhunderts begründete Alfred Nobel mit seinem großen Vermögen die Nobel-Stiftung und somit den Nobelpreis - angeblich, um den Schaden wiedergutzumachen, den er der Welt mit seiner berühmtesten Erfindung - dem Dynamit - zugefügt hatte. Auch die großen Wissenschaftler und Denker unserer Zeit werden mit einer großen Zeremonie in Schweden als die diesjährigen Nobelpreisträger geehrt. Reist man erneut ein Stückchen in der Geschichte zurück, so findet man Carl von Linné: Sein Beiträge zur Botanik, zur Zoologie und sogar zur modernen Taxonomie sind noch heute allgegenwärtig. Seine binominale Nomenklatur (d. h. die Vergabe zweiteiliger Namen) für Tier- und Pflanzenarten hat in der Natur sozusagen für Ordnung gesorgt. Viele sehen in ihm auch den Vater der Ökologie. Und der Schwede Anders Celsius schließlich war der Astronom, der in den frühen 1700ern die auf 100 Grad eingeteilte Thermometerskala erfand - ein System, das noch heute auf der ganzen Welt verwendet wird. Diese kurze Geschichte der berühmten skandinavischen Wissenschaftler bildet nur den Auftakt zu den schwedischen Pionierleistungen von heute. In der akademischen Welt, in Forschungslaboratorien und in der Industrieforschung sind schwedische Forscher auf vielen Gebieten, angefangen bei den Konservierungswissenschaften zu hin zur Zytogenetik, in der Softwareentwicklung bis in den Bereich der Internetsicherheit auf herausragende Weise tätig. Bis heute hat Schweden - im Vergleich zur Größe seiner Bevölkerung - einen der höchsten Anteile an öffentlichen Investitionen in die Forschung vorzuweisen. ERAWatch zufolge haben die schwedischen Regierungen die öffentlichen Ausgaben für die Forschung tendenziell bei nahezu einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts beibehalten. Im Punkt der privaten Investitionen ist Schweden eines von nur zwei EU-Ländern, die es geschafft haben, das Ziel zu übertreffen, 3% des BIP jährlich in Forschung und Entwicklung zu investieren. Zeig mir mehr IT! Schwedischer Pragmatismus und die passenden Führungsqualitäten sind in der EU-finanzierten SHOWE-IT-Pilotstudie (1) gefragt, die eine Reduzierung von Energie- und Wasserverbrauch in Sozialwohnungen an den drei Standorten Rochdale (UK), St. Etienne (FR) and Botkyrka (SE) zum Ziel hat. Jeder der zu Beginn für die Studie ausgewählten 211 Haushalte wurde mit bedienerfreundlichen "intelligenten" Messgeräten und anderen IKT-gestützten Werkzeuge ausgestattet, die dabei behilflich sein sollen, die angezielten 20% Einsparungen im Energie- und Wasserverbrauch zu erreichen, wobei es sich um einen der Wirtschaftlichkeit geschuldeten Schwellenwert für den SHOWE-IT-Ansatz handelte. Das BECA-Projekt (2), an dem die schwedische Bauspezialisten von ÖrebroBostäder AB beteiligt sind, verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Energie- und Wassereinsparung in den Haushalten ganz Europas. Organisationen des sozialen Wohnungsbaus in sieben europäischen Ländern (Bulgarien, Deutschland, Italien, Schweden, Serbien, Spanien und der Tschechischen Republik) und deren Partner arbeiten gemeinsam an dem Projekt, um rund 5.000 Sozialwohnungsmietern und Serviceanbietern IKT-gestützte Dienstleistungen in Bezug auf Energiemanagement und Energiebewusstsein direkt zur Verfügung zu stellen. Das Dreijahresprojekt tritt nach einem Jahr der Untersuchungen und Prototypen nun in eine wichtige operative Phase ein und wird Ende 2013 abgeschlossen. Schweden ist führend bei den weltweiten Anstrengungen, das Internet zu einem sichereren Ort für junge Menschen zu entwickeln. Zum Beispiel informieren das Safer Internet Centre Sweden und das zugehörige Programm Awareness Node sowie der Informationsdienst Internetsicherheit Eltern und Schülergruppen, Regierungen, Industrie, Verbände und Pädagogen über die neuesten Trends und Gefahren, mit denen Jugendliche konfrontiert sind, die Onlinetechnologien nutzen. Inzwischen untersucht das Projekt Robert (3) die Taktiken, die Verbrecher im Internet nutzen, um junge Menschen aufzuspüren, und setzt die Erkenntnisse ein, um Kinder, insbesondere die schwächsten unter ihnen, für deren Onlinestreifzüge in geeigneter Weise auszurüsten. Und das FIVES-Projekt (4) entwickelt neue forensische Techniken und Werkzeuge, die maßgeschneidert werden, um die Polizei bei der Untersuchung der riesigen Mengen an Beweismitteln (Videos und Bildern) zu unterstützen, die über Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern gesammelt werden. "[Die Suche] nach illegalen Bildern und Videos oder andere Untersuchungen führt zu großen Datenmengen, die auf beschlagnahmten Speichermedien gefunden werden", erläutert das Projektteam. "Eine durchschnittliche Untersuchung kann schnell mehrere Terabyte Daten haben, die auf verschiedenen Medien und in unterschiedlichen Formaten gespeichert sind." Das von der Universität Karlstad FIVES mit Unterstützung von NetClean Technologies AB Sweden geleitete Projekt setzt unter anderem Wahrnehmungsoptimierungsverfahren, Objektabgleich- und Bildähnlichkeitstechniken ein, um Details von Tatorten zwischen verschiedenen Bildergruppen oder Videos zu verknüpfen und so die Ermittler zu entlasten. Gesunden Respekt vor der Technik bewahren Die schwedischen Partner sind gleichermaßen im Bereich eHealth aktiv, der breiter angelegte E-Government-Initiativen unterstützt. So erprobt beispielsweise das von der EU geförderte Projekt Sustains (5) bei elf Pilotvorhaben in neun europäischen Ländern Technologien im Zusammenhang mit elektronischen Patientendaten (Electronic health record, EHR). Das Projekt soll die Stellung der Patienten stärken und zur Verbesserung der allgemeinen Qualität der Versorgung für die Europäer beitragen, und dabei gleichzeitig die Gesundheitsversorgung effizienter und kostengünstiger gestalten. Das EU-finanzierte epSOS-Pilotprojekt (6) vereinfacht es den Menschen, überall in der EU medizinische Hilfe zu erhalten, indem sprachliche, administrative und technische Hindernisse aus dem Wege geräumt werden. Projektkoordinator Fredrik Linden von der Schwedischen Vereinigung lokaler Gebietskörperschaften und Regionen (Swedish Association of Local Authorities and Regions, SALAR) zufolge werden rund 30.000 medizinische Fachkräfte die innerhalb des Projekts entwickelten neuen Dienste (ePrescriptions und Patientenakten) nutzen. Im Zusammenhang mit der Herausforderung, die eine alternde Bevölkerung in Europa darstellt, sind schwedische Forscher auch im Bereich der Palliativmedizin tätig und suchen Antworten auf die Frage: Was können Angehörige und Pflegekräfte in den letzten Tagen des Lebens eines Patienten, abgesehen von der Arzneimittelverabreichung, noch tun? Nach Meinung von Dr. Olav Lindqvist vom schwedischen Karolinska Institutet geht es bei "palliativer Pflege um die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse, aber ... dazu gehört weitaus mehr, als man zunächst annehmen sollte. Wollen wir die Palliativversorgung weiterentwickeln, müssen wir noch mehr über diese Art des täglichen Pflegens herausfinden und aufmerksamer die Nuancen beachten." Das im Rahmen des OPCARE9-Projekts (7) EU-finanzierte Forscherteam analysierte 16 ambulante und stationäre Palliativkliniken in neun Ländern. Pflegepersonal, Ärzte und Freiwillige aus allen Klinik wurden gebeten, für drei bis vier Wochen die nicht-pharmakologischen Aktivitäten aufzuzeichnen, die in den letzten Tagen des Lebens eines Patienten durchgeführt wurden. Über die Resultate wurde kürzlich im Fachjournal "PLoS Medicine" sowie in CORDIS Nachrichten berichtet. Auch gut versteckte Fehler finden Letztes Beispiel des schwedischen Könnens im Bereich IKT ist - sofern weiteres Beweismaterial überhaupt erforderlich scheint - das kürzlich abgeschlossene EU-finanzierte Projekt Protest ("Property-based testing"), in dessen Verlauf modernste Software-Engineering-Konzepte entwickelt wurden, um die Zuverlässigkeit von Softwaresystemen zu verbessern. Den Berichten zufolge konnte das Protest-Team, zu dem die schwedischen Partner Ericsson, Quviq AB und die Chalmers University of Technology zählten, Fehler in Systemen finden, die bereits seit Jahren eingesetzt wurden und bei denen, auch wenn sie sich manchmal seltsam verhielten, frühere Tests keinerlei Ursache dafür finden konnten. Nach Angaben des für das Projekt verantwortlichen EU-Kommissionsbeamten hat Protest herausragende Ergebnisse geliefert: "Eines der besten Projekte, die ich jemals hatte", so die Einschätzung. Und im wahren schwedischen Geist wird die Forschung Eingang in technische Innovationen finden, die Europas Industrie unter dem Strich auch zugute kommen werden. "Diese Instrumente werden im Telekommunikationssektor (Ericsson) und auch in der Autoindustrie (Volvo) zum Einsatz kommen, wo man mit ihrer Hilfe testen kann, ob die Softwaresysteme gemäß dem AUTOSAR-Standard funktionieren", so die Kommission. Kontinuierliche Investitionen in fachliche Kompetenzen und Forschungskapazitäten sollen dazu beitragen, dass Schweden auch weiterhin hochwichtige Beiträge zum Europäischen Forschungsraum leisten kann und der Liste der glorreichen schwedischen Wissenschaftler viele weitere Namen hinzugefügt werden können. Und möglicherweise wird schon bald eine Nobelpreisträgerin oder ein Nobelpreisträger nicht so weit reisen müssen, um an der feierlichen Preisverleihungszeremonie in Stockholm teilnehmen zu können! --- Die in diesem Artikel vorgestellten Projekte wurden vom Programm zur Unterstützung der IKT-Politik des Programms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) oder dem Siebten Rahmenprogramm (RP7) für Forschung unterstützt. (1) "Real-life trial in social housing, of water and energy efficiency ICT services' (2) "Balanced European conservation approach" (3) "Risktaking online behaviour - Empowerment through research and training" (4) "Forensic image and video examination support" (5) "Support users to access information and services" (6) "Smart open services - Open eHealth initiative for a European Large Scale Pilot of patient summary and electronic prescription" (7) "A European collaboration to optimise research for the care of cancer patients in the last days of life" Nützliche Links: - RP7 auf CORDIS - CIP auf CORDIS - SHOWE-IT auf Europa - BECA auf Europa - Safer Internet SE AC-HP auf Europa - Safer Internet SE AN-HELP auf Europa - Robert auf Europa - FIVES auf Europa - Sustains auf Europa - epSOS auf Europa - OPCARE9 auf CORDIS - Protest auf CORDIS Weiterführende Artikel: - Forschungsoptimierung in der Sterbebegleitung - Vom E-Government zum We-Government

Schlüsselbegriffe

Digest, Schweden, Innovation, Technologie, Internet, Spotify, Ericsson, Skype, Nobel, Pasche, Linnaeus, Linné, Celsius, E-Health, E-Government, Software, Showe-it, Beca, Safer Internet, Sustains