Zusammenhang zwischen deregulierter Proteintranslation und Krebs
Die Translation eines Proteins am Ribosom beginnt normalerweise an der 5'-Cap-Struktur der mRNA und arbeitet sich in 3'-Richtung auf der mRNA vor (Cap-abhängige Initiation). Nun wurde ein weiterer molekularer Mechanismus untersucht, die interne ribosomale Eintrittsstelle (IRES). Paradoxerweise sind einige normalerweise Cap-abhängige Translationsprozesse IRES- abhängig, beispielsweise Wachstum und Apoptose. Eine Deregulierung des Translationsbeginns in der Mitte der mRNA-Sequenz könnte die Tumorbildung initiieren, wie vermutet wird. Ziel des EU-finanzierten Projekts CELLULAR IRESES (Mechanism of cellular Ireses translation) war die Erforschung dieses größtenteils unbekannten Translationsmechanismus am Modell des Protoonkogens c-myc. Dieses regulatorische Gen ist für Zellproliferation und Apoptose zuständig. Die myc-mRNA enthält eine IRES, die bei einer Hemmung der 5'-abhängigen Translation eine Translation ermöglicht. Interessanterweise ist c-myc in vielen Tumorerkrankungen dereguliert. Das Projekt sollte die Rolle des 3'-Poly(A)-Schwanzes sowie die mögliche Beteiligung einer Reihe von Faktoren ergründen, die die IRES-Aktivität regulieren und dabei nicht auf dessen Partner, das Poly(A)-bindende Protein PABP, angewiesen sind, das die Translation stimuliert. CELLULAR IRESES kombinierte modernste Methoden der Proteomanalyse mit bioinformatischen, biochemischen und massenspektrometrischen Verfahren, um die an der zellulären IRES-Funktion beteiligten Moleküle genauer zu untersuchen. Bei dem PABP-unabhängigen Modell war die Cap-vermittelte Translation gehemmt, die c-myc-IRES-Translation jedoch intakt. Bei einem anderen Modell, bei dem beide Varianten der Proteintranslation ausgeschaltet wurden, konnte die Aktivität der Poly(A)-verstärkenden Faktoren untersucht werden. Mit diesem hervorragenden Test konnten Stoffwechselenzyme identifiziert werden, die an der Glykolyse beteiligt sind, sowie spezifische zelluläre IRES-vermittelte Translationsfaktoren. Zur Validierung von Kandidatenmolekülen wurde ein In-vitro-Translationsassay für Screening-Untersuchungen entwickelt. Genauer wird die Methode in einer im Fachblatt Nature Protocols erschienenen Publikation beschrieben. Mittels Screening-Methoden und einer Reihe von Assays wurde ein Kandidat ausgewählt, der erwartungsgemäß an Poly(A) bindet. Künftige Forschungen werden sich mit der weiteren Validierung von Regulatoren befassen und im Detail klären, wie die Translation gesteuert wird. Die Genregulierung ist nur ein Abschnitt der komplexen Proteintranslation. Der Einsatzbereich der Projektergebnisse in der Medizin ist vielfältig, da er den Zusammenhang zwischen Deregulierung und Krebsentstehung näher erklären kann.