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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Extrem frühgeborene Kinder haben Lernschwierigkeiten

Sehr früh, d. h. vor der 26. Schwangerschaftswoche geborene Kinder haben ein hohes Risiko, im Alter von 11 Jahren Lernschwierigkeiten zu entwickeln, so lauten die im Vereinigten Königreich in Archives of Disease in Childhood Fetal and Neonatal Edition veröffentlichten Forschun...

Sehr früh, d. h. vor der 26. Schwangerschaftswoche geborene Kinder haben ein hohes Risiko, im Alter von 11 Jahren Lernschwierigkeiten zu entwickeln, so lauten die im Vereinigten Königreich in Archives of Disease in Childhood Fetal and Neonatal Edition veröffentlichten Forschungserkenntnisse. Die Ergebnisse sind das Resultat der EPICure-Studie, die 1995 mit dem Ziel gestartet wurde, das Überleben und die langfristige Gesundheit aller in diesem Jahr im Vereinigten Königreich und in Irland vor der 26. Schwangerschaftswoche geborenen Babys zu verfolgen. Eine Schwangerschaft dauert normalerweise rund 40 Wochen. Dank der neuesten Fortschritte der Medizin überlebt eine steigende Anzahl von Babys, die vor Ablauf dieser Zeit geboren werden. Die Überlebensrate beträgt für Frühgeborene, die nach 26 Wochen geboren werden, sogar über 80%. Vor diesem Zeitpunkt sinkt die Überlebensrate jedoch stark ab; von den nach 25 Wochen Schwangerschaft Geborenen überleben 63% und werden aus dem Krankenhaus in die Obhut ihrer Eltern entlassen. Diese Zahl fällt für nach 24 Wochen geborene Babys auf 41% und liegt für die nach nur 23 Wochen im Mutterleib geborenen Frühchen bei gerade mal 18%. Im Jahr 1995, als die EPICure-Studie gestartet wurde, überlebten 307 extrem früh geborene Babys. Die Fortschritte dieser Kinder wurden im Alter von zweieinhalb und sechs Jahren bewertet. Diese Untersuchungen zeigten, dass knapp die Hälfte der Kinder schwere Behinderungen hat, die ihr tägliches Leben beeinflussen. In der jüngsten Untersuchung überprüften die Forscher die Kinder im Alter von 11 Jahren erneut und verglichen ihre Leistungen mit denen ihrer reif geborenen Klassenkameraden. Die Kinder wurden Tests unterzogen, um ihre kognitiven Fähigkeiten und theoretischen Kenntnisse zu untersuchen. Ihre Lehrer wurden gebeten, die Leistung jedes einzelnen Kindes in sieben Hauptfächern (Englisch, Mathematik, Naturwissenschaften, Technik, Geografie, Informationstechnologie und Geschichte) zu bewerten. Die Lehrer stellten auch Informationen darüber zur Verfügung, bei welchen Kindern ein sonderpädagogischer Förderbedarf (SEN) vorliegt. Kinder mit sonderpädagogischem Bedürfnissen haben per Definition Behinderungen oder Lernschwierigkeiten, die es ihnen erschweren, so wie die meisten Kinder ihres Alters zu lernen. Diesen Kindern werden eine Reihe von Sondermaßnahmen wie etwa pädagogische psychologische Betreuung oder Einzelförderung angeboten. Die Resultate lassen die ständigen Herausforderungen ahnen, vor denen extrem frühgeborene Kinder stehen. Verglichen mit ihren reif geborenen Mitschülern hatten die EPICure-Kinder im gesamten Bereich der untersuchten Unterrichtsfächer, und ganz besonders in Mathematik, Tag für Tag zu kämpfen. "Wir stellten fest, dass bis zu 44% der Kinder eine schwere Beeinträchtigung in Hauptfächern wie Lesen und Mathematik aufwiesen und 50% Leistungen unterhalb des für ihr Alter erwarteten Durchschnitts zeigten", fasste Professor Dieter Wolke von der Warwick Medical School im Vereinigten Königreich das Ergebnis zusammen. "Extrem frühgeborene Kinder haben ein 13fach höheres Risiko für sonderpädagogische Bedürfnisse, die eine zusätzliche Förderung des Lernens erforderlich machen." Die Frühgeborenen stehen scheinbar ganz besonders in Mathematik vor Schwierigkeiten. Das Gehirn abbildende Untersuchungen haben gezeigt, dass die Großhirnrinde frühgeborener Kinder ein reduziertes Volumen sowie eine reduzierte Größe und Komplexität aufweist. "Spezielle Defizite der mathematischen Fähigkeiten können ihre Ursache in einer spezifischeren Beeinträchtigung von regionalen Hirnbereichen haben", schreiben die Forscher. "Derartige Fähigkeiten stehen mit dem Arbeitsgedächtnis, der Ausführungsfunktion, der Aufmerksamkeitssteuerung sowie der Wahrnehmungsfähigkeit und mit visuospatialen Fertigkeiten in Zusammenhang, die bei frühgeborenen Menschen ebenfalls selektiv beeinträchtigt sind." Die Forscher widmeten der kleinen Gruppe von Kindern, für die ihre frühe Geburt bedeutete, dass sie ein ganzes Jahr eher zur Schule gehen mussten, als wenn sie die gesamten 40 Wochen im Bauch ihrer Mutter verbracht hätten, ganz besondere Aufmerksamkeit. Sie fanden heraus, dass die Leistungen dieser Kinder gut mit denen der anderen frühgeborenen Kinder zu vergleichen waren, diese Gruppe aber eine größere Wahrscheinlichkeit für sonderpädagogischen Förderbedarf hatte. "Unsere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass eine Verschiebung des Schuleintritts für die Kinder von Vorteil sein kann, für die die Schulzeit aufgrund ihrer extrem vorzeitigen Geburt ein ganzes Schuljahr eher beginnen soll", sagte Dr. Samantha Johnson von der Universität Nottingham im Vereinigten Königreich. "Die von uns bei den Elfjährigen identifizierten Probleme, die Auswirkungen auf die Schulbildung haben, werden im Lauf der Zeit wahrscheinlich eher zunehmen", kommentierte Professor Wolke. "Bereits vorhandene Schwierigkeiten können weitere Probleme nach sich ziehen, wenn die Kinder weiterführende Schulen erreichen und es mit komplexeren Lerninhalten zu tun bekommen." Seit dem Start des EPICure-Projekts im Jahr 1995 hat sich die den extrem frühgeborenen Babys zugute kommende Pflege erheblich verbessert. Um festzustellen, ob diese Veränderungen Auswirkungen auf das Überleben und die langfristige Gesundheit haben, wurde 2006 eine zweite Studie, EPICure-2, gestartet. Wie bei den EPICure-1-Kindern werden auch bei den EPICure-2-Kindern mit zweieinhalb Jahren die Fortschritte überprüft, um zu sehen, ob sich ihre Perspektiven von denen des Jahrgangs 1995 unterscheiden. "Da die Überlebensraten äußerst frühgeborener Babys weiterhin ansteigen, sind derartige Studien entscheidend für die Planung der Bildung und eine Hilfe für die Entwicklung von Programmen, um die Resultate für genau diese Kinder zu optimieren", schätzte Dr. Johnson ein.

Länder

Vereinigtes Königreich

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