Geschlechtsspezifische Gewalt unter Jugendlichen bewältigen
Schätzungsweise eine von drei Frauen weltweit hat irgendwann im Leben schon einmal körperliche und/oder sexuelle Gewalt, oft durch einen Beziehungspartner, erlebt. Einer Umfrage(öffnet in neuem Fenster) der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zufolge hat in den 28 EU-Mitgliedstaaten eine von fünf Frauen von einem derzeitigen oder früheren Partner körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. In einem Bericht(öffnet in neuem Fenster) des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung heißt es sogar, dass mehr als ein Drittel (30 000) der im Jahr 2017 vorsätzlich getöteten Frauen durch ihren derzeitigen oder früheren Beziehungspartner zu Tode kamen. Diese Zahlen zeigen, dass die Gewalt gegen Frauen allen globalen Bemühungen zum Trotz nicht zurückgeht. Um die zugrundeliegenden Faktoren genauer erklären zu können, ist weitere Forschung nötig. Unterstützt durch das EU-finanzierte Projekt FREE_TEEN_DESIRE (Contributing to identify causes of gender violence among teenagers) wurde in einer Studie analysiert, wie weibliche Jugendliche einerseits gewalttätige bzw. gewaltfreie Profile von Jungen und andererseits sexuelle Anziehung wahrnehmen. Beziehungen: Abenteuer versus Stabilität Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Studie im Fachjournal Palgrave Communications(öffnet in neuem Fenster). Sie basieren auf einer Umfrage unter 100 Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren, die verschiedene weiterführende Schulen in Spanien, Zypern, Finnland und England besuchten. Untersucht haben die Forscher dabei „Anziehungsmuster für ‚Abenteuer‘ und für stabile Beziehungen in Bezug auf Jungen mit gewalttätigen Einstellungen und Verhaltensweisen bzw. Jungen, die sich nicht gewalttätig verhalten.“ Das Ergebnis: „Unseren Daten zufolge ergibt sich für die weiblichen Teilnehmer in den verschiedenen betrachteten weiterführenden Schulen in der EU ein ähnliches Anziehungsmuster: Jungen, die nicht gewalttätig sind, sind zwar beliebter als die gewalttätigen, doch wir haben beobachtet, dass es meist die mit gewalttätigen Einstellungen und Verhaltensweisen sind, die für kurze Abenteuer bevorzugt werden, während nicht gewalttätige Jungen hauptsächlich für stabile Beziehungen in Frage kommen.“ Die Forscher betonten, dass das vorherrschende Sozialisierungsmodell einiger Jugendlicher wohl auf Beziehungen abzielt, die Attraktivität mit Gewalt verbinden, und es daher unbedingt auf den Prüfstand gestellt werden sollte, um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und zu bekämpfen. „Kampagnen zur Gewaltprävention müssen diese Erkenntnisse über ‚Abenteuer‘ und potenzielle Gewaltsituationen in Beziehungen berücksichtigen, um die aufgezwungene vorherrschende Sozialisierung stärker zu hinterfragen, gleichzeitig aber auch dafür Sorge zu tragen, dass Mädchen und junge Frauen, die bereits Opfer solcher geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind, nicht erneut zu Opfern gemacht werden.“ Eine quasi-experimentelle Fallstudie Das Projekt FREE_TEEN_DESIRE lief von 2015 bis 2016. Laut CORDIS(öffnet in neuem Fenster) war eines seiner Hauptziele „zu untersuchen, inwiefern Wünsche jugendlicher Mädchen, die Attraktivität mit gewalttätigem Verhalten verbinden, in Dialogsituationen (auf Basis einer Sprache des Begehrens) erfragt werden können“. Zudem ging es zum einen darum zu bewerten, „ob diese dialogische Befragung zu den Wünschen der Mädchen, insofern vorhanden, kulturübergreifend gültig sein kann“, und zum anderen „die nötigen evidenzbasierten Ansätze zu entwickeln, die die Wirksamkeit der Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt unter Jugendlichen steigert“. Mehrere öffentliche Stellen und Schulen sind bereits auf die Ergebnisse aus dem Projekt FREE_TEEN_DESIRE aufmerksam geworden, da sich mit ihrer Hilfe evidenzbasierte politische Maßnahmen entwickeln lassen, die geschlechtsspezifische Gewalt unter Jugendlichen verhindern. Weitere Informationen: Projektwebsite von FREE_TEEN_DESIRE(öffnet in neuem Fenster)
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Vereinigtes Königreich