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Inhalt archiviert am 2024-04-24

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COGWATCH: mehr Unabhängigkeit für Schlaganfallpatienten

Ein häusliches Rehabilitationssystem soll Patienten nach einem Schlaganfall helfen, in den Alltag zurückzufinden und alltägliche Aufgaben wie das Teekochen wieder zu meistern.

Schlaganfall ist die weltweit zweithäufigste Todesursache, an der in Europa jährlich mehr als 1 Mio. Menschen sterben, was 14% aller Todesfälle ausmacht. Etwa ein Drittel der 8 Mio. Patienten in der EU, die den Schlaganfall überleben, bleibt bis zu einem gewissen Maß körperlich oder geistig beeinträchtigt, was die Planung und Durchführung von Aufgaben erschwert. Obwohl bereits viele IKT-gestützte Rehabilitationssysteme zur Behandlung körperlicher Symptome wie Hemiparese im Einsatz sind, hinkt die Behandlung kognitiver Schädigungen in dieser Hinsicht hinterher. Das EU-finanzierte Projekt COGWATCH entwickelte nun ein Rehabilitationssystem, das die kognitive Leistung von Schlaganfallpatienten verbessern soll. Meist fallen Patienten alltägliche Bewegungsabläufe wie das Zähneputzen oder die Zubereitung einer Tasse Tee schwer. Diese häufige Symptomatik, bei der die Ausführung von Bewegungen trotz intakter motorischer Funktion gestört ist, wird als Apraxie bezeichnet (Apraxia or Action Disorganisation Syndrome, AADS). COGWATCH entwickelt daher intelligente Werkzeuge und Gegenstände, tragbare Geräte sowie Umgebungssysteme, um AADS-Patienten im häuslichen Umfeld zu unterstützen. "Ein gesunder Mensch kann sich kaum vorstellen, dass diese Alltagshandlungen Probleme darstellen könnten", sagt Professor Alan Wing, Projektkoordinator und Mitarbeiter der Psychologischen Fakultät an der Universität Birmingham. "Viele dieser scheinbar einfachen Aufgaben sind aber tatsächlich recht komplex und erfordern viele kleine Schritte, die in der richtigen Reihenfolge ausgeführt werden müssen." Einfach - oder komplex - wie die Zubereitung einer Tasse Tee Die Wissenschaftler von COGWATCH entwickelten einen maßgeschneiderten Prototypen, der Schlaganfallpatienten hilft, eine Tasse Tee aufzubrühen - eine komplexe alltägliche Handlung. Das System umfasst zwei Tablet-Computer, jeweils für den Patienten und für den Arzt, sowie Sensoren, die an der Unterseite von Tasse, Milchkännchen und Wasserkocher angebracht sind und deren Bewegung verfolgen, während eine Videokamera den gesamten Prozess von oben aufnimmt. Auf dem Tablet-Computer kann der Patient die gewünschte Aktion auswählen, beispielsweise das Aufbrühen einer Tasse Tee mit Milch und Zucker. Dann wird ein Aktionserkennungssystem aktiviert: es verarbeitet die Informationen der Sensoren, gleicht sie mit der gestellten Aufgabe ab und den Schritten, die für die Zubereitung einer Tasse Tee mit Milch und Zucker nötig sind. Macht der Patient einen Fehler, wird er von dem System mit einer Kombination aus Video, Ansage, Textnachricht oder Vibration korrigiert, damit er den richtigen Schritt ausführt. Wie Professor Wing erklärt, "fühlt sich dies für den Patienten an, als ob jemand neben ihm steht, der erklärt, was zu tun ist, ihm aber eigenständiges Handeln ermöglicht, wenn der Patient dies möchte." Die Ergebnisse der Teezubereitung Um das System zu testen, führten die Forscher von COGWATCH eine randomisierte Studie mit 30 Patienten durch. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten die vom COGWATCH-System unterstützten Teilnehmer statistisch signifikante Verbesserungen bei der Aufgabenlösung. So machten sie 54% weniger Fehler, und die Zeit für die Zubereitung des Getränks reduzierte sich um 20 %. Bessere Betreuung Abgesehen von der Förderung der Eigenständigkeit der Patienten kann das COGWATCH-System auch Ergotherapeuten zugutekommen, um mehr Patienten zu betreuen oder intensiver an ihren Fähigkeiten zu arbeiten. Das System liefert zudem aussagefähige Informationen über die Fortschritte des Patienten bei der Aufgabenbewältigung. Längerfristig könnte COGWATCH dazu beitragen, dass Patienten früher entlassen werden, was das Risiko von Krankenhausinfektionen senkt, die Rückkehr in die gewohnte häusliche Umgebung beschleunigt und Krankenhausbetten freimacht. Das mit 3,7 Mio. EUR von der EU geförderte COGWATCH startete am 1. November 2011 und endete am 28. Februar 2015. "Wir wollen Systeme anbieten, die erschwinglich genug für den privaten Gebrauch sind, damit zum Beispiel jeder Patient sie im Krankenhaus ausleihen kann", sagt Professor Wing abschließend. Link zur Projektwebsite

Schlüsselbegriffe

Schlaganfall, kognitive Behinderung, Apraxie und Handlungsstörungssyndrom, Aktionserkennungssystem, Sensoren, EU, CORDIS