Eine spieltheoretische Sichtweise auf die Netzdynamik
Netze werden oftmals unter Verwendung von Werkzeugen aus der Graphentheorie modelliert. Ein soziales Netzwerk würde bspw. als gerichteter oder nicht gerichteter Graph abgebildet werden. Menschen fungierten als Eckpunkte des Graphen und die Beziehungen zwischen diesen (Freundschaften oder Bekanntschaften) als Grenzen. Im Rahmen des Projekts STATPHYSNETFORMGAME (The statistical physics of network formation games) wandten Wissenschaftler einen anderen Modellierungsansatz zur Bildung von Netzen an. Im Falle sozialer Netzwerke ließen Menschen beim Eingehen von Beziehungen Diskretion anstelle von Beliebigkeit walten. Der Ausgangspunkt für diesen spieltheoretischen Ansatz ist die die Annahme, dass Individuen Belohnungen erhalten, die von dem entstehenden sozialen Netzwerk abhängen. Die Individuen neigen wahrscheinlich dazu, mehr Mühe oder Zeit in Beziehungen zu investieren, die mehr Freude bereiten und solche Beziehungen zu vermeiden, bei denen dies weniger der Fall ist. Unterschiedliche Netzwerke führten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das STATPHYSNETFORMGAME-Team versuchte zu beschreiben, wie Individuen deren Meinung ändern, falls deren Freunde mit einer spieltheoretischen Sichtweise nicht übereinstimmen. Die Präferenzen in der realen Welt hängen oftmals von kulturellen Unterschieden sowie von Unterschieden zwischen urbaner und ländlicher Bevölkerung ab. Es wurde damit gerechnet, dass die gegenseitige Beeinflussung von Meinungen in einem lokalen Maßstab zu einem Konsens führt, die Meinungen blieben jedoch über lange Distanzen hinweg unkorreliert. Die Wissenschaftler waren erfolgreich in der Entwicklung eines neuen Modells zur scharfen Trennung zwischen Regionen, in denen zwei unterschiedliche Meinungen auftreten. In einer gänzlich anderen Anordnung wandten die Wissenschaftler die Grundkonzepte und relevanten Werkzeuge der Spieltheorie zur Modellierung der Mobiltelefonnutzung in einem Entwicklungsland an. Es wurden die Standorte von Basisstationen im Hinblick auf die Bevölkerungsverteilung und die Anzahl und Dauer von Anrufen im Bereich jeder Basisstation kartiert. Das entwickelte Instrument mit der Bezeichnung Kartogramm ermöglichte die Identifizierung von Regionen, in denen die Basisstationsdichte pro Kopf signifikant hoch ist oder in denen das Netz ausgeweitet werden muss. Mit anderen Worten: die Erkenntnisse könnten zur Verbesserung des bestehenden Mobilfunknetzes verwendet werden. Wissenschaftler analysierten ebenfalls die Wege von Frachtschiffen, die zweifelsohne das weltweit größte Transportnetz darstellen. Basierend auf Daten, die bis auf das Jahr 1890 zurückgehen, wurde die Verteilung des Schiffskommunikationsverkehrs und die Anzahl der Häfen, mit denen die jeweiligen Häfen direkt verbunden waren, abgeleitet. Der Gini-Koeffizient, eine Kennzahl für die statistische Verteilung des Hafenverkehrs, wurde berechnet und es wurde festgestellt, dass sich dieser über den Untersuchungszeitraum verringerte. Dieses Ergebnis, welches eine Tendenz hin zu einer polyzentrischen Verteilung des Frachtschiffverkehrs zeigt, liefert wertvolle Grundlageninformationen für zukünftige Hafenerweiterungen. Gegen Ende des Projekts STATPHYSNETFORMGAME hatten die Wissenschaftler unter Anwendung derselben Techniken, die auf den Frachtschiffsverkehr angewandt worden waren, mit der Arbeit an Magnetresonanzbildgebungsdaten zum menschlichen Gehirn begonnen. Die Erkenntnisse sollen den Weg für eine realistische Modellierung von Hirnfunktionen ebnen.
Schlüsselbegriffe
Statistische Physik, Netze, Graphentheorie, STATPHYSNETFORMGAME, Spieltheorie, statistische Verteilung