Experten fordern strengere Sicherheitsverfahren für Arzneimitteltests an Menschen
Eine Gruppe von Experten hat strengere Kontrollen für im Frühstadium an Menschen durchgeführte Studien zu Arzneimitteln mit hohen Risiken gefordert. Die wissenschaftliche Expertengruppe (Expert Scientific Group - ESG) wurde Anfang dieses Jahres einberufen, nachdem sechs zuvor gesunde Freiwillige infolge des Tests des neuen Arzneimittels TGN1412 um ihr Leben kämpften. TGN1412 ist ein monoklonaler Antikörper, der das Immunsystem stimuliert. Er wurde von dem deutschen Pharmaunternehmen TeGenero zur Behandlung von rheumatoider Arthritis, Leukämie und Multipler Sklerose entwickelt. Mit dem im VK durchgeführten Versuch sollten Nebenwirkungen getestet werden. Dies war das erste Mal, dass das Medikament Menschen verabreicht wurde. Laut TeGenero hatten Tierversuche, einschließlich an Primaten, zu keinerlei Nebenwirkungen wie bei den menschlichen Probanden geführt. Die verabreichte Dosis war außerdem äußerst niedrig. Obwohl alle sechs Freiwilligen inzwischen das Krankenhaus verlassen haben, bestehen weiterhin Bedenken in Bezug auf die langfristigen Auswirkungen des Versuchs auf ihre Gesundheit. Mindestens ein Freiwilliger könnte alle Zehen und einige seiner Finger verlieren. Die ESG wurde vom britischen Gesundheitsminister eingerichtet, um zu untersuchen, wie die Sicherheit von Arzneimitteltests an ähnlichen Produkten wie TGN1412 verbessert werden kann. "Im Allgemeinen sind klinische Studien überaus sicher, aber angesichts des Zwischenfalls im Zusammenhang mit TGN1412 muss die künftige Sicherheit klinischer Studien an Arzneimitteln, die neuartig sind und potenziell höhere Risiken bergen, untersucht werden", kommentierte der Vorsitzende des ESG Professor Gordon Duff. Die Gruppe empfiehlt, dass bei Versuchen dieser Art die erste Dosis nur einer Person verabreicht werden sollte. Vor der Verabreichung weiterer Dosen an andere Personen sollte ausreichend Zeit für die Entwicklung möglicher Nebenwirkungen verstreichen. Darüber hinaus weisen die Experten darauf hin, dass es in Fällen, in denen das Arzneimittel Auswirkungen auf das Immunsystem hat, besser sein könnte, zuerst Studien an Patienten, die wegen der Krankheit in Behandlung sind, durchzuführen, anstatt an gesunden Freiwilligen. In dem Bericht wird außerdem eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Industrie und Regulierungsbehörden zum Informationsaustausch zu Nebenwirkungen von Arzneimitteln gefordert. Obwohl es derzeit eine EU-Datenbank zu vermuteten, unerwarteten, schweren Nebenwirkungen von getesteten Arzneimitteln gibt, gibt es momentan weder Zugang zu Informationen über Studien, die in der Vergangenheit aus Sicherheitsgründen gestoppt wurden, noch irgendeine internationale Datenquelle. Die Expertengruppe hofft, dass die Forscher durch einen stärkeren Datenaustausch in der Lage sein werden, Überschneidungen bei der Entwicklung von und Versuchen zu Arzneimitteln zu vermeiden. Sie schlagen außerdem vor, dass Spezialzentren für die Durchführung von Studien zu risikoreicheren Wirkstoffen im Frühstadium eingerichtet werden sollten. Der Bericht wurde von den Rechtsanwälten begrüßt, die die sechs Männer, die durch das Medikament Schaden genommen haben, vertreten. "Ich bin ermutigt durch die Empfehlungen, die die Expertengruppe zur Konsultation vorgeschlagen hat", sagte die Rechtsanwältin für medizinische Fahrlässigkeit Auriana Griffiths, die zwei der Männer vertritt. "Ich bin erfreut, dass der Bericht eine Reihe sehr sensibler und wichtiger Empfehlungen umfasst, um zur Sicherheit der Teilnehmer an klinischen Arzneimitteltests beizutragen." Der Leiter des britischen Medical Research Council, Professor Colin Blakemore, unterstrich, dass die erstmalige Verabreichung von Arzneimitteln an Menschen zwar immer ein Risikoelement beinhalte, es aber den Wissenschaftlern und Ärzten obliege, sich um die Reduzierung dieses Risikos zu bemühen. "Es gibt großartige Entdeckungen in der Grundlagenforschung, die eine bessere Bekämpfung von Krankheiten versprechen", sagte er. "Versuche der Phase eins sind von zentraler Bedeutung für den Prozess der Umwandlung dieser Entdeckungen in klinische Versorgung, aber wir müssen sicherstellen, dass die Studien streng überprüft werden, wenn potenzielle neue Therapien entstehen."
Länder
Vereinigtes Königreich