EuroGentest veröffentlicht Merkblätter über Gentests
Der Aufbau eines harmonisierten Gentestsystems in Europa ist das Ziel des aus Mitteln der EU finanzierten Fünfjahresprojekts EuroGentest. Europaweit leiden etwa 30 Millionen Menschen an einer Erbkrankheit. Dadurch entstehen in den betroffenen Gesundheitssystemen wirtschaftliche Folgekosten von 500 Millionen Euro. "Gentests verzeichnen jährliche Zuwachsraten von 200 bis 300 Prozent und decken aktuell mehr als 1 000 Erbkrankheiten ab. Darüber hinaus verzeichnen wir rasche Fortschritte in den Bereichen Pharmakogenetik und individualisierte Therapien", so Professor Jean-Jacques Cassiman von der Katholischen Universität Löwen, Belgien, und Koordinator von EuroGentest. "Es ist wichtig, dass diese Entwicklung auf strukturierte Weise geschieht, damit die Öffentlichkeit Vertrauen in die Qualität der Tests und der angebotenen Beratung gewinnen kann. Diese große Herausforderung ist praktisch nur durch einen auf Kooperation beruhenden Ansatz mit Unterstützung durch die EU zu bewältigen." Das Projekt vereinigt Genetiker, Ärzte, Ethiker, Patientenorganisationen, Rechtsanwälte und Unternehmensvertreter. Dadurch ist es möglich, ein breites Spektrum an Fragen in Zusammenhang mit Gentests zu erörtern, wozu auch die damit verbundenen rechtlichen, gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Folgen zählen sowie die Rechte des geistigen Eigentums und ethische und soziale Belange wie Vertraulichkeit und Einverständniserklärungen. All diese Maßnahmen werden von Aufklärungskampagnen begleitet. So veröffentlichte EuroGentest jüngst eine Reihe von elf Merkblättern für Patienten zu den wichtigsten Fragen rund um Erbkrankheiten und Gentests. Der Leser findet darin Wissenswertes über genetische Vererbungsmuster, Chromosomenprobleme sowie Gentests und -bestimmungen. Ein weiteres Merkblatt enthält ein Glossar und häufig gestellte Fragen (FAQ), die Patienten und Familienangehörigen im Rahmen von Gesprächen mit einem Facharzt über Gentests hilfreich sein können. Die Reihe ist das Ergebnis der ersten großen Erhebung über die Qualität der aktuell in der EU verfügbaren, schriftlichen Patienteninformationen. Die Forscher befragten Patienten und deren Angehörige, die über eigene Erfahrungen mit Erbkrankheiten und Gentests berichten konnten, und ließen diese Erfahrungen in die inhaltliche Gestaltung der Merkblätter einfließen. Der Projektforscherin Celine Lewis zufolge bestanden erhebliche Unterschiede, was den derzeitigen Stand der Patienteninformation betrifft, sowohl zwischen den sieben ursprünglich untersuchten Ländern als auch auf nationaler Ebene. "In einigen Fällen erhielten die Patienten und ihre Angehörigen während der genetischen Beratung individuell abgefasste Anschreiben in Kombination mit vorgedruckten Merkblättern, in anderen nur eins von beiden. Kein Land wies jedoch ein umfassendes oder standardisiertes Konzept auf." "Außerdem stellten wir große Unterschiede in der Qualität der gedruckten Informationen fest, die in auf Erbkrankheiten spezialisierten Kliniken in ganz Europa bereitgestellt werden. Während die Mehrzahl der von uns ausgewerteten Broschüren Informationen über die betreffende Erbkrankheit enthielt, wurde in weniger als einem Viertel der Broschüren auf mit Gentests verbundene psychologische und soziale Folgen hingewiesen, und lediglich die Hälfte klärte darüber auf, welche Stellen zusätzliche Auskünfte und Unterstützung anbieten", so Lewis weiter. Die am Projekt beteiligten Partner baten Patienteninteressengruppen um Stellungnahme. Lewis zufolge äußerten sich alle besorgt darüber, dass der Nutzen von Gentests zwar in den meisten Fällen erläutert wird, die Risiken hingegen entweder nicht angemessen dargestellt oder überhaupt nicht behandelt werden. EuroGentest fand ferner heraus, dass die Schlüsselthemen in vorgedruckten Broschüren weitaus umfassender erläutert werden als in individuell abgefassten Anschreiben. Dies war der Anlass, vorgefertigte Merkblätter für die Verwendung in der gesamten EU zu entwickeln. "Die Informationen sind dazu bestimmt, Patienten und Familienangehörige bei ihren Gesprächen mit einem auf Gentechnik spezialisierten Arzt begleitend zu unterstützen", betonte die Wissenschaftlerin abschließend. Die Broschüren sind kostenlos in englischer Sprache erhältlich und werden in Kürze in allen großen EU-Sprachen zur Verfügung stehen.