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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Die Grippe deckeln

Europäische Wissenschaftler haben neues Licht auf die Abläufe geworfen, mit der das Grippevirus die Zellproduktion seines Wirts überfällt. Ihre Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuer Arzneimittel für den Kampf gegen zukünftige Grippepandemien führen. Die Arbeit wurde von d...

Europäische Wissenschaftler haben neues Licht auf die Abläufe geworfen, mit der das Grippevirus die Zellproduktion seines Wirts überfällt. Ihre Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuer Arzneimittel für den Kampf gegen zukünftige Grippepandemien führen. Die Arbeit wurde von dem durch die EU mit 1,97 Millionen Euro finanzierten Projekt FLUPOL gefördert. Zu den größten Ängsten von Regierungen und Gesundheitsbehörden gehört eine verheerende Grippepandemie. Sie befürchten, dass hochvirulente Stämme der Vogelgrippe, beispielsweise H5N1, die Fähigkeit entwickeln könnten, sich von Mensch zu Mensch zu übertragen. Daher sucht man nach neuen Behandlungen und Methoden, die die Ausbreitung dieses Virus verhindern. In dieser jüngsten Studie haben Strukturbiologen unter der Leitung des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) einen der Wege, über den das Influenzavirus die Funktionen infizierter Zellen übernimmt, genau untersucht. Ihre Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Structural and Molecular Biology veröffentlicht. Die Forscher erhielten ein hoch aufgelöstes Bild der zentralen Proteindomäne, deren Funktion darin besteht, dem Virus die Vermehrung durch die Übernahme der Proteinproduktion der Wirtszelle zu ermöglichen. Wenn das Grippevirus eine Wirtszelle infiziert, beginnt es sich zu vermehren. Wesentlich für diesen Prozess ist ein Protein, das als virale Polymerase bezeichnet wird. Dieses Enzym kopiert das genetische Material des Virus und hilft so, mehr Viren zu produzieren. Ein Teil der Polymerase, bekannt als PB2, spielt eine große Rolle, indem er ein wichtiges "Etikett" aus den RNA-Molekülen der Wirtszelle stiehlt. Dieses Etikett wird dann benutzt, um die Proteinproduktion auf die Synthese viraler Proteine umzustellen. Wissenschaftler aus der Forschungsgruppe von Stephan Cusack und Darren Hart am EMBL Grenoble haben entdeckt, dass die PB2-Domäne für die Anbindung des Etiketts verantwortlich ist. Von dieser Erkenntnis ausgehend haben sie Kristalle produziert, die mithilfe des starken Röntgenstrahls der Europäischen Synchroton-Strahlungsanlage (ESRF) untersucht wurden. "Viren sind sehr gerissen, wenn es darum geht, die normalen Funktionen der Wirtszelle zu überfallen. Das Grippevirus stiehlt ein Kennwort von den Messenger-RNAs des Wirts, das sind Moleküle, die die Anleitung für die Proteinproduktion tragen, und benutzt es, um Zugang zu der Proteinproduktion der Zelle zu erhalten", sagt Dr. Cusack. In Wirklichkeit hat das Kennwort die Form eines kurzen zusätzlichen Teils der RNA, der als "Kappe" (engl.: cap) bezeichnet wird. Diese Kappe muss am Anfang aller mRNAs (Messenger-RNAs) stehen, um den Proteinsynthesemechanismus der Zelle zu lenken. Die virale Polymerase hängt sich an die mRNA der Wirtszelle über dessen Kappe an, entfernt die Kappe und stellt sie an den Anfang seiner eigenen mRNA. Dieser Vorgang wird mit dem englischen Begriff "cap snatching" bezeichnet. Der Mechanismus für die Proteinproduktion der Wirtszelle kann daraufhin die virale mRNA mit der Kappe erkennen, wodurch virale Proteine auf Kosten der Proteine der Wirtszelle produziert werden können. Die EMBL-Forscher erstellten ein Bild, das eine an eine Kappe gebundene PB2-Domäne zeigt, und enthüllten so erstmals die einzelnen Aminosäuren, die an der Erkennung dieser besonderen Struktur beteiligt sind. Die Wissenschaftler waren in der Lage, die Kappe zu identifizieren, die sich zwischen zwei PB2-Aminosäuren befand. Obwohl dieser Erkennungsmechanismus anderen Bindungsproteinen für die Kappen nicht unähnlich ist, unterscheiden sich seine strukturellen Details. Kollegen am Centro Nacional de Biotecnologia in Madrid demonstrierten, dass eine Spaltung an der Stelle, wo die BP2 an die Kappe gebunden ist, die Vermehrung des Grippevirus unterbindet. "Diese Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass die Stelle der PB2-Kappen-Verbindung ein aussichtsreiches Ziel für Antigrippemittel darstellt", sagt Dr. Darren Hart. "Die neuen strukturellen Einblicke helfen uns, Nachbildungen der Kappe zu entwickeln, die die virale Replikation hemmen und dadurch die Ausbreitung des Virus und die Stärke der Infektion verringern würden."

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