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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Experten fordern Vereinheitlichung der Verschreibungspraktiken für Antibiotika in ganz Europa

Von der EU finanzierte Forscher haben festgestellt, dass die Verschreibung von Antibiotika in Europa sehr unterschiedlich gehandhabt wird. In einigen Ländern erhalten lediglich 20% der Patienten, die wegen Hustenbeschwerden einen Arzt aufsuchen, Antibiotika. In anderen Ländern...

Von der EU finanzierte Forscher haben festgestellt, dass die Verschreibung von Antibiotika in Europa sehr unterschiedlich gehandhabt wird. In einigen Ländern erhalten lediglich 20% der Patienten, die wegen Hustenbeschwerden einen Arzt aufsuchen, Antibiotika. In anderen Ländern hingegen kann diese Quote bis zu 90% betragen. Darüber hinaus lassen die Ergebnisse dieser Studie erkennen, dass Antibiotika nur geringe Auswirkungen auf die Dauer haben, die Patienten zur Genesung brauchen. In ihrem Artikel in der Fachzeitschrift British Medical Journal (BMJ) fordern die Wissenschaftler eine Vereinheitlichung der Verschreibungspraktiken für Antibiotika in ganz Europa, was dabei helfen soll, eine Lösung für das Problem der Antibiotika-Resistenz zu finden. Die EU unterstützte die Arbeit über das GRACE-Projekt ("Genomics to combat resistance against antibiotics in community-acquired lower respiratory tract infections in Europe"), das unter dem Themenbereich "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) finanziert wird. "Diese Gefahr der Antibiotika-Resistenz nimmt wahrscheinlich noch weiter zu, jetzt, da zu den Allgemeinmedizinern immer mehr Patienten kommen, die sich angesichts der aktuellen weltweiten H1N1-Pandemie wegen starken Hustens Antibiotika verschreiben lassen möchten", stellt GRACE-Projektkoordinator Herman Goossens von der Universität Antwerpen in Belgien fest. "Diese neuen Hinweise könnten sich bei der Eindämmung der Verschreibung von Antibiotika als hilfreich erweisen." Für Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt stellt die Antibiotika-Resistenz ein großes Problem dar. So waren 2006 beispielsweise 39% der invasiven Bakterien in Europa gegen Penizillin resistent. Für die Zunahme arzneimittelresistenter Bazillen wird das unnötige Verschreiben von Antibiotika, insbesondere bei Atembeschwerden wie Husten, verantwortlich gemacht. Zudem werden durch die Verordnung von Antibiotika in Fällen, in denen sie nicht nötig sind, Ressourcen verschwendet, die Patienten werden einem durch Nebenwirkungen entstehenden Risiko ausgesetzt und die Wahrscheinlichkeit wird erhöht, dass die Patienten künftig bei ähnlichen Symptomen erneut den Arzt aufsuchen werden (anstatt besser auf sich Acht zu geben). In dieser Studie gingen die Forscher den Erfahrungen von 3.402 Patienten nach, die wegen neuer oder verschlimmerter Hustenbeschwerden bzw. wegen einer möglichen Infektion der unteren Atemwege ihren Arzt aufsuchten. Angeworben wurden die Patienten aus ganz Europa: aus 14 Forschungsnetzwerken für die Gesundheitsgrundversorgung. Für jeden Patienten wurde die Krankengeschichte erfasst - einschließlich der verschriebenen Antibiotika-Rezepte -, aber auch die Schwere ihrer Symptome. Außerdem wurden die Patienten gebeten, ihre Symptome über einen Zeitraum von 28 Tagen zu bewerten und in einem Tagebuch festzuhalten. Insgesamt wurden etwa 53% der Patienten Antibiotika verschrieben. Zwischen den einzelnen Ländern gab es jedoch erhebliche Unterschiede. Weniger als einem Drittel der Patienten in Belgien, Norwegen und Spanien wurde Antibiotika verordnet. Demgegenüber erhielten weit über zwei Drittel der Patienten in Italien, Ungarn, Polen und dem Vereinigten Königreich Antibiotika. Spitzenreiter bei den Verschreibungen war die Slowakei: In ihrer Hauptstadt Bratislava erhielten 87,6% der Patienten Antibiotika. Diese Unterschiede bei den Verschreibungspraktiken für Antibiotika konnten weder aufgrund der unterschiedlichen Schwere oder Dauer der Symptome der Patienten, aufgrund von Rauchgewohnheiten, Alter oder Fieber noch aufgrund anderer gesundheitlicher Beschwerden erklärt werden. Darüber hinaus ging aus den Symptomtagebüchern hervor, dass die Medikamente keinen maßgeblichen Einfluss auf die Dauer hatten, die die Patienten zur Genesung brauchten. Die Forscher stellten zudem fest, dass unterschiedliche Arten von Antibiotika verschrieben wurden: So stand beispielsweise das im Rahmen der Studie am häufigsten verordnete Antibiotikum Amoxicillin gerade einmal auf 3% der Rezepte in Tromsø (Norwegen), dafür aber auf 83% der Rezepte in Southampton (Vereinigtes Königreich). Die Autoren der Arbeit befürchten, dass die Ursachen für diese Unterschiede in abweichenden Richtlinien und Gewohnheiten in den einzelnen Ländern zu finden sein könnten. Dieser Frage wollen sie in einer Folgestudie nachgehen. "Diese internationale Forschungszusammenarbeit hat aufgezeigt, dass die großen Unterschiede zwischen den Verschreibungspraktiken für Antibiotika in den einzelnen Ländern medizinisch nicht gerechtfertigt sind", erklärt der Leitautor der Studie, Professor Chris Butler von der Universität Cardiff im Vereinigten Königreich. "Damit bietet sich die einmalige Gelegenheit, die Gesundheitsversorgung in Europa zu vereinheitlichen."

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