Studie enthüllt Einflussfaktoren auf Verhalten von Blutgefäßzellen
Europäische Forscher entdeckten einen Mechanismus zur Steuerung von Zellen, die die Blutgefäßwände bilden. Die Ergebnisse könnten die Entwicklung neuer Medikamente zur Reparatur von Blutgefäßen und der Behandlung von Blutgefäßerkrankungen beschleunigen. Die im Fachblatt "Journal of Clinical Investigation" veröffentlichte Studie wurde teilweise durch das Projekt MYORES (Multi-organismic approach to study normal and aberrant muscle development, function and repair) unterstützt, das unter dem Themenbereich "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) gefördert wurde. Die Wände von Blutgefäßen bestehen aus glatten Gefäßmuskelzellen (vascular smooth muscle cells, VSMC), die durch Kontraktion und Relaxation den Durchmesser der Blutgefäße verändern können. Auf diese Weise steuern sie den Blutdruck, um beispielsweise Bereiche des Körpers stärker zu durchbluten, die es gerade am dringendsten benötigen. Unter bestimmten Bedingungen jedoch schalten glatte Gefäßmuskelzellen vom "kontraktilen" Zustand in den "synthetischen" Zustand, in dem sie sich teilen und große Proteinmengen zur Bildung einer Gewebematrix herstellen. Die Fähigkeit dieser Zellen, zwischen beiden Modi umzuschalten, diente offensichtlich dazu, die Bildung neuer Blutgefäße und die Wundheilung anzuregen, vermuten die Wissenschaftler. Allerdings wird die Veränderung zu synthetisch aktiven Zellen auch mit verschiedenen Blutgefäßerkrankungen wie Bluthochdruck und Arteriosklerose in Zusammenhang gebracht. Obwohl diese Umschaltfunktion beim Entstehen dieser Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt, sind die zugrunde liegenden Mechanismen noch weitgehend ungeklärt. In dieser neuen Studie entdeckten deutsche Forscher, dass zwei kleine RNA (Ribonukleinsäure)-Moleküle (MicroRNAs oder auch miRNAs) mit der Bezeichnung miR-143 und miR-145 in Versuchen mit Mäusen wesentlich darüber entscheiden, ob der kontraktile Modus ausgelöst und aufrechterhalten wird. MicroRNAs sind kurze RNA-Abschnitte, die die Herstellung von Proteinen regulieren. Die Forscher entdeckten, dass bei Mäusen ohne miR-143 und miR-145 die Anzahl kontraktiler VSMCs in den großen arteriellen Blutgefäßen sehr gering, die Anzahl Gewebematrix produzierender VSMCs hingegen überdurchschnittlich hoch war. Weitere Untersuchungen ergaben, dass die beiden MicroRNAs gebraucht werden, um den kontraktilen Modus auszulösen und in den Mäusen einen gesunden Blutdruck aufrecht zu erhalten. Mäuse, denen diese MicroRNAs fehlten, zeigten auch Anzeichen von Blutgefäßerkrankungen, weshalb die Autoren vorschlugen, die Forschungsergebnisse zur Entwicklung neuer therapeutischer Wirkstoffe zu nutzen. In einem Begleitartikel bezeichnet Michael Parmacek von der Universität Pennsylvania, Vereinigte Staaten, die Studienergebnisse als "hochinteressant", unter anderem auch deshalb, weil die Studie mehr Fragen als Antworten aufwirft. Wie werden beispielsweise Herstellung und Aktivitäten von MicroRNAs in den glatten Gefäßmuskelzellen reguliert? Wie steuern diese den Blutdruck? Beeinflussen sie die Entwicklung von Erkrankungen wie Arteriosklerose? "Antworten auf diese Fragen könnten unser Verständnis von der Gefäßneubildung und der Pathogenese vaskulärer proliferativer Erkrankungen erweitern", schreibt er und bemerkt abschließend: "Diese VSMC-abhängigen microRNAs, die auf spezielle Kombinationen von SMC-Genen abzielen, sind ein effizienter Mechanismus zur Feineinstellung der kardiovaskulären Homöostase (Selbsteinstellung des Organismus) und der Reaktion der Gefäßwand auf Verletzungen. Diese wichtige Entdeckung eröffnet neue Forschungswege und potenzielle neue Therapien für Gefäßerkrankungen." Das Exzellenznetzwerk MYORES vereint 37 Forschungsgruppen in 24 Forschungseinrichtungen in 7 europäischen Ländern. Es wurde 2005 ins Leben gerufen und ist voraussichtlich Ende 2009 abgeschlossen. Ziel von MYORES ist die Erforschung molekularer und genetischer Faktoren bei der Steuerung von Aufbau, Funktion und Reparatur der Muskeln.
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