Forscher entdecken "völlig bizarren Mechanismus" für genetische Vielfalt
Britische Wissenschaftler enthüllten neue Informationen über ein Gen, das die menschliche Evolution und die genetische Vielfalt wesentlich beeinflusst. Die im Fachblatt "Nature Genetics" veröffentlichte Studie wurde von Professor Sir Alec Jeffreys von der Universität Leicester geleitet, dem Vater des "genetischen Fingerabdrucks". Das Gen steuere einen "völlig bizarren Mechanismus", der eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der genetischen Vielfalt spiele, so Prof. Jeffreys. Den Forschern zufolge liefert die Studie neue Erkenntnisse zu genetischen Ereignissen, die zwar jeden Menschen einzigartig machen, aber auch Erbkrankheiten auslösen können, wenn etwas schief geht. Die Studie befasste sich insbesondere mit den sogenannten Minisatelliten, d.h. DNA-Abschnitten, in denen viel häufiger genetische Variationen auftreten als in anderen Teilen des Genoms. Diese Minisatelliten, von Professor Jeffreys als "recht skurrile DNA-Abschnitte" bezeichnet, bilden die Grundlage zur Ermittlung des genetischen Fingerabdrucks. Die individuelle Anzahl an Repeats in Minisatelliten macht jeden Menschen genetisch unverwechselbar (mit Ausnahme natürlich von eineiigen Zwillingen). In seiner jüngsten Studie untersuchte das Team um Professor Jeffreys, wie durch Rekombination die genetische Vielfalt beeinflusst wird. Wenn der Körper Ei- oder Samenzellen produziert, werden weibliche und männliche Chromosomenpaare neu kombiniert und Erbinformationen ausgetauscht. Hin und wieder kommt es dabei zu ungünstigen Konstellationen, aus denen genetische Erkrankungen entstehen können. Minisatelliten werden in Hotspots, d.h. bevorzugten Stellen für die Einleitung der Rekombination, aktiv. "In jeder Generation werden die Erbinformationen von Vater und Mutter wie in einem Kartenhaufen neu gemischt. Dies nennt man Rekombination - einen grundlegenden Mechanismus zur Steuerung der genetischen Vielfalt", erklärt Professor Jeffreys. "Unsere Arbeit der letzten 10 Jahre hat wesentliche neue Erkenntnisse zur Rekombinationsaktivität beim Menschen und zur Identifizierung von Rekombinations-Hotspots beigetragen. Dabei handelt es sich um kurze DNA-Abschnitte, in denen besonders viele Rekombinationen auftreten." Die Forscher untersuchten insbesondere das Gen PRDM9, das ein Protein herstellt, welches an die DNA bindet und die Aktivität der Hotspots steuert. Menschen tragen jeweils verschiedene Versionen des PRDM9-Gens in sich. Die Forscher interessierte nun die Frage, ob sich verschiedene Genvarianten unterschiedlich auf die Rekombinationsaktivität auswirken. "Interessant ist vor allem, dass Menschen mit unterschiedlichen PRDM9-Genvarianten völlig verschiedene Rekombinationsaktivitäten aufweisen, nicht nur in den Hotspots, sondern auch beim chromosomalen Austausch, durch den bestimmte genetische Erkrankungen entstehen können", so Professor Jeffreys. Ein interessanter Aspekt dieser Entdeckung ist aber, dass auch die PRDM9-Variation selbst durch einen Minisatelliten auf dem Gen ausgelöst wird. Professor Jeffreys erläutert hierzu: "Faszinierend ist, dass dieser damit seine eigene Evolution steuert." Die Studie liefert auch die Antwort auf eines der größten Rätsel im Zusammenhang mit den Rekombinations-Hotspots, und zwar deren Tendenz, unvermittelt im Lauf der Evolution aufzutauchen und wieder zu verschwinden. "Wir haben gezeigt, dass die Hotspots einen starken Hang zur Selbstzerstörung haben, warum also existieren sie überhaupt?" Die Antwort liegt im PRDM9-Minisatelliten - er entsteht unvermittelt, wie jeder andere instabile Minisatellit, und produziert Genvarianten, die neue Hotspots generieren, welche die verschwundenen Hotspots ersetzen, so die Meinung von Professor Jeffreys. "Dieser völlig bizarre Mechanismus ist der Garant für eine kontinuierlich fortlaufende Rekombination, aber auch beispielhaft für die sonderbaren Wege, die die Evolution geht."
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Vereinigtes Königreich