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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Echoortung der Fledermaus erkennt Spiegel als Wasser

Eine neue Forschungsarbeit zeigt: Fledermäuse interpretieren alle glatten Oberflächen als Wasser, weil sie sich mehr als auf ihre anderen Sinne auf ihre Ohren verlassen. Bei 15 Arten von Fledermäusen konnten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Deutschla...

Eine neue Forschungsarbeit zeigt: Fledermäuse interpretieren alle glatten Oberflächen als Wasser, weil sie sich mehr als auf ihre anderen Sinne auf ihre Ohren verlassen. Bei 15 Arten von Fledermäusen konnten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Deutschland beobachten, dass sie alle versuchten, aufgrund der Art, wie glatte Oberflächen die Ultraschalllaute der fliegenden Säugetiere reflektieren, von diesen Flächen zu trinken. Widersprüchliche Informationen anderer Sinne wie etwa Sehen, Riechen und Tasten ignorierten sie, heißt es weiter in dem kürzlich im Fachblatt Nature Communications veröffentlichten Artikel. In der Natur bildet Wasser die einzigen glatten Oberflächen und Fledermäuse verlassen sich bei der Ortung einer nah gelegenen Trinkquelle ohne zu zweifeln auf die von diesen Flächen reflektierten Echos (bei der Echoortung verwenden die Tiere Ultraschalllaute für die Navigation). Professor Stefan Greif und Dr. Björn Siemers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie fanden heraus, dass man Fledermäusen alle glatten Oberflächen als Wasser "verkaufen" kann, indem sie Wasseroberflächen simulierten und den Fledermäusen in einem großen Flugraum je eine glatte und eine strukturierte Platte aus Metall, Holz oder Plastik anboten. Die Forscher beobachteten, dass die Fledermäuse in schwacher Rotlichtbeleuchtung auf die Täuschung hereinfielen und versuchten, von der glatten Platte zu trinken. "Die Langflügelfledermaus hat beispielsweise in zehn Minuten bis zu 100 Mal versucht, von der glatten Fläche zu trinken", sagte Professor Greif. Auch bei drei weiteren Arten, dem Großen Mausohr, der Großen Hufeisennase und dem Wasserspezialisten Wasserfledermaus erzielten die Wissenschaftler ähnliche Ergebnisse bei allen drei verwendeten Materialen. Nur bei den Holzplatten unternahmen einige Tiere weniger Trinkversuche. Um festzustellen, wie weit dieses Verhalten verbreitet ist, testeten die Wissenschaftler 11 weitere Arten und stellten fest, dass dieses Verhalten zumindest bei insektenfressenden Fledermäusen allgemein üblich ist. Die Forscher waren zugegebenermaßen erstaunt, dass die Tiere nicht lernten, dass diese künstlichen, akustischen Spiegel keine Wasseroberflächen waren. Es gab sogar Tiere, die zufällig auf der glatten Fläche landeten, wieder aufflogen, und nach einigen Flugrunden einen neuen Trinkversuch starteten. Selbst als die Wissenschaftler die Platten auf einen Gartentisch legten, flogen die Tiere teilweise erst unten durch und versuchten dann oben zu trinken. Professor Greif und Dr. Siemers kamen zu dem Schluss, dass die Assoziation einer glatten, horizontalen Fläche mit Wasser in den Köpfen der Fledermäuse fest verankert sein muss, und dass die Tiere Informationen aus anderen Sinnen weitgehend ignorieren. Sie wiederholten ihr Experiment im Dunkeln und eliminierten somit den Sehsinn. Dabei stellte sich heraus, dass die Anzahl der Trinkversuche von 100 auf 160 Mal in 10 Minuten anstieg. "Die Fledermäuse scheinen also die Sinnesinformationen zu verrechnen und gegeneinander abzuwägen, wobei die Echoortung alle anderen dominiert", erklärte Professor Greif. Um festzustellen, ob die akustische Information von Wasser den Tieren bereits in den Genen steckt, führten die Forscher die Versuche an Jungtieren durch, die noch nie mit einem See oder Fluss in Berührung gekommen waren. Flugunfähige Jungtiere wurden in einer Höhle mit ihren Müttern gefangen und von diesen in einem geschützten Raum weiter aufgezogen, bis sie fliegen konnten. Auch diese Tiere versuchten gleich beim ersten Kontakt von einer glatten Fläche zu trinken, was darauf schließen lässt, dass das Verhalten also nicht erlernt, sondern angeboren ist. Jetzt wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob sich Fledermäuse auch freilebend so verhalten würden: Halten Fledermäuse alle horizontalen glatten Flächen für Wasser? Versuchen sie auch dann von Oberflächen wie Dachfenstern, Autodächern und Wintergärten bis zur Erschöpfung zu trinken? Professor Greif spekuliert: "Wir denken, dass die Fledermäuse draußen andere Möglichkeiten haben. Sie sind sehr ortstreu und haben vermutlich ihre etablierten Wasserflächen. Vielleicht probieren sie mal eine neue Fläche aus, ziehen dann aber weiter." Er stimmt aber zu, dass weitere Studien nötig sind, um das Vorkommen, das Ausmaß und die potenzielle ökologische Konsequenz eines solchen Szenarios abzuschätzen.

Länder

Deutschland

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