Bessere Kenntnis der Retrovieren könnte medikamentöse Behandlungen verbessern
Tschechische und deutsche Wissenschaftler haben zum ersten Mal die detaillierte Struktur der Hülle entdeckt, die das genetische Material der Retroviren umgibt, wenn sie noch im Entstehen begriffen sind - einer wichtigen und potenziell verwundbaren Phase ihres Lebenszyklus. Ein Retrovirus ist ein Ribonukleinsäure-Virus (RNA), der in einer Wirtszelle mithilfe des Enzyms Reverse-Transkriptase aus seinem RNA-Genom Desoxyribonukleinsäure (DNA) produziert. Dann wird die DNA vom Enzym Integrase in das Genom des Wirts eingebaut, wonach sich das Virus als Teil der DNA der Wirtszelle repliziert. Einer der bekanntesten Retroviren ist das HIV-Virus (Human Immunodeficiency Virus), das Teil einer Lentivirusgruppe, einer Gattung der Retrovierenfamilie, ist. In der Fachzeitschrift Natur erklären die Wissenschaftler, wie ihre Erkenntnisse Informationen über einen Teil des Virus liefern, der in der Zukunft ein potenzielles Ziel für eine Pharmakotherapie werden könnte. Die Teammitglieder kommen vom Institut für chemische Technologie und der Akademie der Wissenschaften in Prag, Tschechische Republik, und dem European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg, Deutschland. Retroviren bestehen aus genetischem Material, das sich in einer Proteinhülle befindet, die wiederum von einer Membran umschlossen wird. Beim HIV repliziert sich das Retrovirus, nachdem es in eine Wirtszelle eingedrungen ist (eine Zelle in unserem Immunsystem). Hierbei produziert es mehrere Kopien von sich selbst, die jeweils aus einer Mischung viraler und zellulärer Bestandteile zu einem unreifen Virus zusammengesetzt werden. John Briggs vom EMBL und einer der Forscher des Teams sagt: "Alle notwendigen Bestandteile werden innerhalb der Wirtszelle in Form eines unreifen Virus zusammengestellt, das sich dann zu einem reifen Partikel entwickeln muss, der andere Zellen infizieren kann. Wir haben herausgefunden, dass damit größere Veränderungen an der Virenhülle einhergehen, als bisher angenommen." Sowohl die reife als auch die unreife Virenhülle bestehen aus wabenförmigen Gittern hexagonaler Einheiten. Durch die Verwendung von Elektronenmikroskopen in Verbindung mit rechnergestützten Verfahren konnte das Team untersuchen, welche Teile der Schlüsselproteine sich vereinen, um die Wabe der unreifen Hülle zu bilden. Es stellte sich heraus, dass sich diese von denen unterscheiden, aus denen die reife Hülle besteht. Die Erkenntnisse des tschechisch-deutschen Teams werden die Wissenschaftler dabei unterstützen, wenn es darum geht herauszufinden, wie das unreife Virus in der Zelle zusammengesetzt wird und wie sich die Hüllenproteine neu anordnen, wenn die eine Form in die andere übergeht. Das könnte sich als entscheidender Schritt für die Entwicklung neuer Arten antiretroviraler Behandlungen herausstellen. Obwohl viele existierende antiretrovirale Medikamente bereits das Enzym blockieren, das normalerweise die Bestandteile der unreifen Hülle trennt, damit diese reifen kann, gibt es gegenwärtig keine zugelassenen Medikamente, die auf die Hülle selbst einwirken, um zu verhindern, dass das Enzym andockt. John Briggs erklärt weiterhin, dass, obwohl sie "immer noch viel mehr detaillierte Informationen benötigen, bis die Entwicklung von Medikamenten tatsächlich ins Auge gefasst werden kann", ist es bereits "ein Fortschritt, endlich in der Lage zu sein, die reifen und unreifen Strukturen miteinander vergleichen zu können".Weitere Informationen sind abrufbar unter: European Molecular Biology Laboratory (EMBL): http://www.embl.de/(öffnet in neuem Fenster)
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Tschechien, Deutschland