Intelligenter BH hilft beim Stillen
Obwohl Untersuchungen zeigen, dass die Mehrheit der frischgebackenen Mütter durchaus beabsichtigt, mindestens drei Monate lang zu stillen, werden diese Pläne dann doch oft nicht realisiert. Mütter, die mit Kaiserschnitt entbunden haben, stillen nachweislich weniger, und das Einschießen der Milch kann sich zum Beispiel aufgrund von Krankheiten oder Medikamenten verzögern. Der Hauptgrund für eine frühzeitige Entwöhnung ist weltweit identisch: Die Mutter befürchtet, dass ihre Muttermilch ihrem Kind nicht genügend Nahrung liefern könnte. Auf diese Weise werden die Mütter zum Füttern mit der Flasche verleitet, was sich jedoch negativ auf ihren natürlichen Laktationszyklus auswirkt, was wiederum dazu führt, dass die Muttermilch weniger wird. Das EU-finanzierte Projekt Presque hat nun einen intelligenten Still-BH entwickelt. Der BH enthält ein Reservoir mit zusätzlicher Milch (abgepumpte Muttermilch, Milch einer Spenderin, Milchnahrung), die in Reaktion auf das Saugen an Brustwarze und Brustwarzenhof der Mutter abgegeben wird. Die EU-Finanzierung ermöglichte Presque die Realisierung einer den Markt und die Technik betrachtenden Durchführbarkeitsstudie, die einige Überarbeitungen und Verbesserungen der Produkteigenschaften und des Fahrplans für die Produkteinführung herbeiführte. Bisher hat sich das Projekt fünf Patente im Zusammenhang mit der neuartigen Gestaltung rund um Brustwarzenhof und Brustwarze sowie mehrere anhängige Anmeldungen in Hinsicht auf andere Aspekte des Systems gesichert.
Die Mutter-Kind-Bindung stärken
Presque wurde speziell zu dem Zweck entwickelt, das Baby zum aktiven Saugen zu ermutigen und es der Mutter zu ermöglichen, ihre Muttermilch ohne Flaschenbenutzung zu ergänzen. „Indem Presque einen der Hauptgründe der Mütter für ein frühes Abstillen – die als nicht ausreichend wahrgenommene Versorgung mit Milch – entkräftet, verlängert Presque die Stillzeit und vergrößert außerdem die Stillrate. Zudem verstärkt der dabei entstehende Hautkontakt die Bindung zwischen Mutter und Kind“, sagt Soody Tronson, die Projektkoordinatorin. In den BH integrierte intelligente Sensoren sorgen für wertvolle Überwachungsdaten. So kann das System zum Beispiel Informationen über die Saugkraft des Babys, die Durchflussrate der natürlichen Milch der Mutter und die erforderliche Menge an Milchnahrung liefern. Diese Daten können einzeln oder in Kombination Erkenntnisse über das Verhalten von Mutter und Kind liefern. Nach der Einführung einer dem Konzeptnachweis dienenden Basisversion des BHs bei potenziellen Anwenderinnen und Angehörigen der Gesundheitsberufe führte das Team anonyme Umfragen und Versuche durch. Es stellte fest, dass Eigenschaften, Preis, Aussehen und die Art, wie sich das Produkt anfühlt, Nutzungsfreundlichkeit, Empfehlungsquelle und möglicherweise der Markenname die wichtigsten Faktoren sind, welche die Kaufentscheidungen beeinflussen. An diese Informationen zu gelangen und sie zu sammeln, war in Europa schwieriger als in den USA, da weniger Mütter mit den verschiedenen Stillhilfsmitteln vertraut waren.
Zum Nutzen breiter angelegter Gesundheitsinitiativen
Erwiesen ist, dass sich eine verkürzte Stilldauer und -rate negativ auf die körperliche und geistige Gesundheit von Müttern und Kindern auswirkt. Eine Studie des WHO-Regionalbüros für Europa von 2019 hat zum Beispiel gezeigt, dass Babys, die nie oder nur selten gestillt wurden, ein erhöhtes Risiko für Adipositas im Kindesalter haben. All diesen Erkenntnissen zum Trotz bleiben jedoch Stilldauer und Stillraten niedrig. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2019 fand heraus, dass nur sechs der elf untersuchten EU-Länder über nationale Pläne zur Förderung, zum Schutz und zur Unterstützung des Stillens verfügen. Presque könnte die Länder bei der Entwicklung wirkungsvoller evidenzbasierter Aktionspläne unterstützen. „Die auf ethisch vertretbare Weise gesammelten Presque-Daten bieten genau das Echtzeitwissen über die Praxis des Stillens, das uns derzeit noch fehlt. Diese Daten können die Entwicklung und Umsetzung von Gesundheitsinitiativen unterstützen und Probleme lösen, die sich aus nicht ausreichendem Stillen ergeben“, so Tronson. Sobald die weitere Finanzierung gesichert ist, wird das Team weitere Nutzungstests durchführen, um die Gestaltung des BHs zu verfeinern, und dabei sparsame technische Prinzipien anwenden, damit das Endprodukt finanziell erschwinglich bleibt. Auch die Entwicklung der Betriebssoftware wird abgeschlossen. Nach den Absprachen rund um die Fertigung wird Presque direkt an die Endbenutzerinnen sowie an Gesundheitseinrichtungen wie etwa Krankenhäuser und Gesundheitsdienstleister ausgeliefert werden.
Schlüsselbegriffe
Presque, Stillen, Muttermilch, Laktation, Saugen, BH, Büstenhalter, Zusatznahrung, Nahrungsergänzung, Sensoren, Ernährung, Entwöhnung, Brustwarze, abgepumpte Milch