Neues technisches System erfasst und speichert traditionelle Tänze
Immaterielles Kulturerbe bedeutet im Wesentlichen den Ausdruck und die Darbietung von kulturellem Wissen, insbesondere in Bezug auf traditionelle Tänze. Obwohl die UNESCO wie auch die Europäische Gemeinschaft das immaterielle Kulturerbe für schützenswert halten, gestaltet sich dies in der Praxis aufgrund der dynamischen Natur oftmals als schwierig. Obwohl das immaterielle Kulturerbe schon seit langem auf Film und Video festgehalten wird, weisen diese Medien bestimmte Einschränkungen auf. Herkömmliche zweidimensionale Medien fangen den emotionalen Gesichtsausdruck der darbietenden Personen nicht vollständig ein. Solche Aufzeichnungen lassen auch keine 3D- oder 4D-Modellierung und Rendering-Technologien zu, welche physische Objekte durch virtuelle Objekte erweitern können. Außerdem erfassen selbst moderne stereoskopische Digitalisierungen die Darbietung nur aus einem Blickwinkel, anstatt von allen Seiten. Eine realistische 3D-Konstruktion ohne 2D-Medien ist also nicht möglich. Das EU-finanzierte Projekt Terpsichore entwickelte ein technisches System, das diese Probleme löst. In der Mythologie des antiken Griechenlands war Terpsichore eine der neun Musen und die Göttin des Tanzes. Unterstützt wurde das Forschungsvorhaben im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen. Über das System des Projekts wird ein neues Konzept für die Aufzeichnung und Modellierung von Bewegungsabläufen des immateriellen Kulturerbes eingeführt, das über digitale Bibliotheken bei der Dokumentation und dem Schutz des immateriellen Kulturerbes hilft. Darüber hinaus ermöglichen die neuen Konzepte des Projekts effizientere und ökonomischere Methoden der Datenerhebung. Terpsichore zielt auf griechische Volkstänze wie den Kalamatianos, auf verschiedene Tempos des Syrtos und auf den Enteka, sowie auf traditionelle slowakische Tänze ab.
Verschmelzung von Technologien
„Unsere allgemeinen Ziele können durch die Definition eines gemeinhin intelligenten Rahmens erreicht werden“, erklärt Projektkoordinator Anastasios Doulamis. „Dieser integriert die neuesten Fortschritte aus verschiedenen technischen Forschungsbereichen, einschließlich der Digitalisierung, des maschinellen Sehens, der Computergrafik und der 3D-Modellierung.“ Das System beinhaltet auch Entwicklungen im Bereich der digitalen Bibliothekstechnologie und der Präsentation digitaler Szenen. Durch solche Funktionen kann das neue System eine der größten Einschränkungen herkömmlicher zweidimensionaler Darstellungen überwinden. „Diese erfassen weder alle Details des Tanzes noch den ,Geist‘ der darbietenden Personen“, merkt Doulamis an. „Terpsichore wird einen Rahmen für die Modellierung von Tänzen schaffen, mit dem die Bewegungsabläufe sowie der Gesichts- und Körperausdruck der tanzenden Personen eingefangen und kodiert werden können.“ Hierdurch werden alle Tools bereitgestellt, die für den Schutz und die Erforschung einer Choreographie erforderlich sind.
Vollständiger Rahmen für die Aufzeichnung von Bewegungsabläufen
Das Ergebnis ist ein skalierbarer Rahmen für die Aufzeichnung von Bewegungsabläufen, der Geräte auf dem neuesten Stand der Technik beinhaltet, um profunde Informationen in Echtzeit zu erfassen. Somit werden im Laufe der Zeit interessante Körperbereiche der tanzenden Personen geometrisch angereichert. Das Forschungsteam entwickelte auch neue Algorithmen, mit denen die Daten verarbeitet sowie 3D-Skelettmodelle erstellt und ausgestaltet werden können. Dieser Rahmen funktioniert selbst dann, wenn die tanzenden Personen Tänze vor einem komplexen oder dynamischen Hintergrund darbieten. Abgesehen von der physischen Bewegung dokumentiert das System auch musikalische Elemente des immateriellen Kulturerbes. Diese können aufgezeichnet werden, um lokale Redewendungen und bislang nicht aufgezeichnete traditionelle Tänze zu bewahren. Das System ermöglicht ebenfalls die Erforschung und Kodifizierung der Mechanik hinter traditionellen Instrumenten. Das Terpsichore-Konsortium ist jetzt auf die weitere Zusammenarbeit mit anderen EU-finanzierten Horizont 2020-Projekten fokussiert, insbesondere auf die Nationale Technische Universität Athen (NTUA), das KMU RISA, das KMU Metis Baltic, das Zentrum für Forschung und Technik – Hellas (CERTH) und auf die Technische Universität Zypern (CUT). Das Projekt bringt den Schutz und die Verbreitung des immateriellen Kulturerbes Europas voran. Die Ergebnisse werden auch dem europäischen Bildungs-, Kunst- und Tourismussektor von Nutzen sein.
Schlüsselbegriffe
Terpsichore, immaterielles Kulturerbe, traditionelle Tänze, Aufzeichnung von Bewegungsabläufen, Modellierung, Digitalisierung, digitale Bibliothek, Choreographie