Skip to main content
European Commission logo print header

Molecular mechanisms of acute oxygen sensing.

Article Category

Article available in the following languages:

Glomus caroticum als wichtiger Akteur der Sauerstoffregulierung

Genauere Erkenntnisse darüber, wie das Glomus caroticum (Karotisdrüse) den Sauerstoffgehalt im Blut bestimmt, könnten die Sicherheit von Anästhesien, die physiologische Anpassung an Höhenlagen, Maßnahmen gegen Medikamentenüberdosierung und den Umgang mit COVID-19 verbessern.

Gesundheit icon Gesundheit

Europaweit sterben jährlich mehr als 340 000 Menschen aufgrund von Atemwegserkrankungen, was etwa 7,5 % aller Todesfälle ausmacht. Schwerpunkt des EU-finanzierten Projekts OxygenSensing sind daher molekulare Mechanismen, über die der Körper den Sauerstoffgehalt im Blut erfasst, um entsprechend zu reagieren. Der Mensch hat physiologische Anpassungsreaktionen gegen Sauerstoffmangel im Blut (Hypoxie) entwickelt. Schnelle Reaktionen sind z. B. Hyperventilation, um akuten Sauerstoffmangel bei körperlicher Anstrengung auszugleichen. Bei chronischem Sauerstoffmangel aufgrund von Lungenkrankheiten oder größeren Höhenlagen reagiert der Körper hingegen langsamer, indem er größere Mengen roter Blutzellen bildet. Akute Veränderungen des Sauerstoffgehalts im Blut werden vom Glomus caroticum detektiert, einem kleinen, erbsengroßen Organ, das sich an der Gabelung der inneren und äußeren Halsschlagader befindet. „Das Glomus caroticum ist direkt mit dem Atmungszentrum im Gehirn verbunden und steigert bei sinkendem Sauerstoffgehalt Atemfrequenz und Herzleistung“, erklärt Projektkoordinator José López-Barneo. Das Labor von López-Barneo an der Universität Sevilla, Spanien, forscht seit 35 Jahren zum Glomus caroticum, wobei noch ungeklärt ist, wie die Zellen der Drüse Sauerstoffabweichungen im Blut überhaupt erkennen.

Chemischer Sensor

Die Arbeitsgruppe um López-Barneo untersuchte spezifische Chemorezeptoren im Glomus caroticum, sogenannte Glomuszellen. Einige Jahre zuvor hatte die Gruppe Kaliumkanäle identifiziert, die sich bei Sauerstoffmangel schließen und so ein Signal ans Gehirn auslösen. Wie diese Kaliumkanäle durch Sauerstoff moduliert werden, blieb allerdings unklar. Im Rahmen von OxygenSensing entdeckte die Gruppe um López-Barneo, dass deren Mitochondrien als wichtige Sauerstoffsensoren fungieren. Normalerweise können Mitochondrien auch dann noch normal arbeiten, wenn der Sauerstoffgehalt sehr viel stärker sinkt als bei physiologischer Hypoxie. Bei ihren Untersuchungen entdeckte die Arbeitsgruppe in den Mitochondrien der Glomuszellen nun jedoch eine ungewöhnliche Variante des Enzyms Cytochrom C-Oxidase. „Offenbar ist die Affinität von Sauerstoff in Glomuszellen deutlich niedriger als sonst, und auch die Elektronentransportkette verändert sich im physiologischen Spektrum der Sauerstoffverfügbarkeit“, erklärt er, sodass ein leicht sinkender Sauerstoffgehalt im Blut die mitochondriale Aktivität dieser Zellen stören würde. Dies erzeugt Signale, die Kaliumkanäle zu schließen und Botenstoffe freizusetzen, was wiederum sensorische Nervenfasern aktiviert, die das Gehirn anweisen, Atem- und Herzfrequenz zu steigern.

Neue Therapien

„Mit dieser wichtigen Entdeckung steht uns nun ein solides Modell zur Verfügung, dessen Vorhersagen experimentell getestet werden können“, so López-Barneo weiter. „In unseren Studien konnte die experimentelle Robustheit dieses Modells bislang bestätigt werden.“ Anhand der Forschungsergebnisse könnte auch eine Besonderheit von COVID-19 erklärt werden, und zwar, wenn auf akute Hypoxie keine physische Reaktion erfolgt („stille Hypoxie“). López-Barneo vermutet, dass das Coronavirus die Chemorezeptoren des Glomus caroticum auf gleiche Art und Weise deaktiviert wie die Geschmacks- und Geruchssensoren in Mund und Nase. Das klinische Anwendungspotenzial der Ergebnisse ist enorm. Laut López-Barneo wird die Forschungsarbeit erheblich zur Entwicklung leistungsfähiger Atemanaleptika beitragen, die einen Sauerstoffsensor im Glomus caroticum aktivieren, was vor allem die Sicherheit von Anästhesien und Maßnahmen bei Opioidüberdosierung verbessern könnte.

Schlüsselbegriffe

OxygenSensing, Sauerstoff, Hypoxie, Karotisdrüse, Glomus caroticum, Blut, Chemorezeptoren, Atemwege, Gehirn, COVID-19, Anästhesie, Opioidüberdosierung

Entdecken Sie Artikel in demselben Anwendungsbereich