Umschwung bei Papiermüll
Jahrzehntelang wurde eine papierlose Zukunft vorhergesagt, doch noch spielt Papier eine zentrale Rolle in unserem Alltag. Allein in Europa werden jedes Jahr etwa 130 Millionen Tonnen Papier und Zellstoff produziert. Die Industrie erzielt Jahresumsätze von etwa 180 Milliarden EUR und stellt um die 180 000 Arbeitsplätze in Europa. Sie hat jedoch auch enorme Auswirkungen auf die Umwelt: Sie ist ressourcenintensiv und erzeugt jährlich 11 Millionen Tonnen Abfall. Das EU-finanzierte Projekt PAPERCHAIN hat innovative Lösungen gefunden, um diese Herausforderungen anzugehen. Indem Abfall in Ressourcen für andere Industrien umgewandelt wird, könnte es einen bedeutenden Beitrag zur Reduzierung der Mülldeponien, dem Schutz der natürliche Ressourcen und der Senkung der Kohlenstoffemissionen leisten. Die Lösungen basieren auf Modellen der Kreislaufwirtschaft und sollen die nachhaltige Wiederverwertung von Abfall ermöglichen. Sie wurden in groß angelegten Versuchen in vier EU-Ländern (Spanien, Portugal, Slowenien und Schweden) getestet. „Wir konnten die neuen Lösungen zu realen Betriebsbedingungen, einschließlich lokaler Standards und Gesetze, demonstrieren und dabei das Umweltrisiko und die wirtschaftliche Leistung einschätzen“, sagt Juan José Cepriá, Projektmanager für Forschung und Entwicklung bei Acciona Construction, dem Projektträger.
Aufstieg aus der Asche
Im Bausektor kann Abfall als Sekundärrohstoff eingesetzt werden. Asche vom Verbrennen von Altpapier kann beispielsweise Zement als Bindemittel in bestimmten Straßenbauarbeiten ersetzen. „In Saragossa in Spanien haben wir einen 1 km langen Straßenabschnitt mit Altpapierasche statt Zement gebaut, zu geringeren Kosten als mit Standardlösungen und unter Einhaltung aller technischen Anforderungen. Nach zwei Jahren Betrieb sind keine Mängel aufgetreten und die umliegenden Böden, das Wasser und die Vegetation zeigen keine Anzeichen von Verschmutzung“, betont Cepriá. Zement ist ein kohlenstoffintensiver Rohstoff. Stattdessen Papierasche zu verwenden könnte also den CO2-Abdruck im Straßenbau drastisch reduzieren, indem die Emissionen für bestimmte Straßenschichten um bis zu 93 % gesenkt werden. Eine weitere Lösung für den Bausektor bezieht sich auf die Wiederverwertung von Bodensatz und Resten von Grünlauge – Rückstände in Zellstoff- und Papiermühlen, die üblicherweise auf Deponien landen. Diese können in Straßenschichten aus Asphalt integriert werden, indem Kalkbestandteile und feinkörniger Zuschlag zum Teil ersetzt werden. Damit konnte das PAPERCHAIN-Team eine Lösung entwickeln, um den Abfall auf Deponien merklich zu senken und gleichzeitig zum Schutz der natürlichen Ressourcen beizutragen. Das Projekt entwickelte auch eine Lösung für den Chemiesektor, bei der Altwasserschlamm aus der Zellstoffindustrie eingesetzt wird, um Bioethanol zu erzeugen.
Zwei Abfallprobleme, eine Lösung
Für den Bergbau kam PAPERCHAIN auf eine Lösung zur Versiegelung möglicherweise toxischer Abfallprodukte aus dem Bergbau – mit einer anderen Art Abfall. „In Schweden konnten wir nachweisen, dass der Bodensatz von Grünlauge dank des hohen Wasserrückhaltevermögens und der Dichtungseigenschaften importiertes Bentonit ersetzen kann, um Versiegelungen für Abfallprodukte aus dem Bergball zu erstellen“, erklärt Cepriá. Einige der Lösungen waren recht einfach umzusetzen, doch bei anderen musste das Projektteam ganze Industrieprozesse umdenken. Eine zentrale Rolle für den Erfolg des Projekts spielte laut Cepriá die Beteiligung der gesamten Wertekette in jedem Szenario, vom Abfalleigner bis zum Endnutzer. Die Projektpartner arbeiten weiter gemeinsam, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse auf dem Markt angenommen werden. Derzeit wird am Abschluss der Nutzungsverträge, Anwendungen der Abfalldeklassierungen sowie weiterer Forschung an einigen technischen Aspekten der Lösungen gearbeitet.
Schlüsselbegriffe
PAPERCHAIN, Zellstoff und Papier, Abfall, Deponien, Kohlenstoffemissionen, Kreislaufwirtschaft, Sekundärrohstoff, Bausektor, toxischer Bergbauabfall