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Smart Biologics: Developing New Tools in Glycobiology

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Glykane als Schlüssel für neue Immuntherapien

Therapien, die Immunzellen stärken, könnten demnächst nicht nur gegen Infektionskrankheiten, sondern auch Krebs zum Einsatz kommen. Aus den vom Projekt SWEETOOLS entwickelten Glykopeptidbibliotheken sollen neue Wirkstoffe hervorgehen, die auf wichtige Proteine und Enzyme abzielen.

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Glykane sind Polymere aus Kohlenhydraten, die in allen lebenden Zellen verschiedenste biologische Prozesse steuern wie die Erkennung von Molekülen oder Koordination zellulärer Interaktionen. Dort sind sie an der Faltung und Positionierung von Proteinen sowie innerzellulärem Transport und Qualitätskontrolle beteiligt. Glykane sind eine Andockstelle für Viren und Bakterien. Viren wie SARS-CoV-2 bestücken aber auch ihre Spike-Proteine mit Glykanen, um sich vor dem Immunsystem zu tarnen. Veränderte Glykanstrukturen sind häufige Krankheitsursachen und führen zu Entzündungen oder Tumorerkrankungen. Da die Glykanstruktur nicht genetisch festgelegt ist, sondern auch vom enzymatischen Verdau der Glykane abhängt, sind deren Position und Aufbau nur schwer zu ermitteln. Zudem ist ihre Struktur so komplex, dass sie sich mit derzeitigen Methoden kaum manipulieren lassen. Das vom Europäischen Forschungsrat finanzierte Projekt SWEETOOLS entwickelte eine Methodik zur Erstellung von Glykan-Bibliotheken, die an ein Peptid gekoppelt sind. Diese sogenannten Glykopeptidkonjugate eignen sich für das Screening verschiedenster Enzyme, die Glykane verdauen. „Der Verdau durch spezifische Enzyme und deren Bindung an Glykane muss genau bekannt sein, denn dann können wir die Glykopeptide aus unserer Bibliothek optimieren, um diese Enzyme zu regulieren und so neue Therapieansätze zu schaffen“, erklärt Projektkoordinator Milan Vrabel.

Die Glykopeptidbibliothek

Synthetische Peptidbibliotheken sind kurze Ketten von Aminosäuren – bei SWEETOOLS vier bis 15 Aminosäuren – die durch chemische Synthese erzeugt werden. So entsteht eine One-Bead-One-Compound- bzw. OBOC-Bibliothek. Dabei werden Beads aus Polymerharz, die eine Aminosäure enthalten, in gleiche Teile geteilt, an die jeweils eine weitere Aminosäure angehängt wird. Diese Teile werden gepoolt und mittels chemischer Synthese mit der nächsten Aminosäure gekoppelt. Die Teilung der Beads und der ganze Prozess wird mehrere Male wiederholt, sodass eine synthetische Bibliothek aus Beads mit jeweils einer spezifischen Aminosäurensequenz entsteht – den Peptiden. SWEETOOLS hängte nun einen kleinen molekularen Inhibitor an, der selektiv an Enzyme bindet, was in Peptidbibliotheken mit unterschiedlichen Aminosäuren, aber gleichem Inhibitor resultierte. „Die Peptide erkennen, selektieren und binden das Enzym, und der Inhibitor hemmt dessen Funktion. Diese Veränderungen lassen sich beobachten, etwa, wenn durch Hemmung des Enzyms eine stärkere Immunantwort generiert wird“, ergänzt Vrabel. Die Peptidbibliothek wurde mittels sogenannter Click-Chemie erzeugt – eine Reihe schneller, effizienter und selektiver chemischer Reaktionen. Schließlich wurden an die Peptide Glykanreste angehängt. Diese Glykopeptidbibliothek kann dann nach Proteinen durchsucht werden, z. B. nach Lektinen, die spezifische Glykane erkennen. Da auch Bakterien und Viren über diesen Mechanismus an ihre Ziele binden, könnte dies Möglichkeiten für neue inhibitorische Substanzen aufzeigen. Für zelluläre Versuche wurden chemische Fluoreszenzsonden entwickelt, sodass die Arbeitsgruppe die Biomoleküle im Detail sichtbar machen und beobachten konnte. „Ersten Daten zufolge schützt eines unserer Glykopeptide T-Zellen vor dem Zelltod, der durch Galectin 1 induziert wird. Auch bestimmten Krebszellen gelingt es mit diesem Mechanismus, die Immunabwehr zu umgehen. Mithilfe des Glykokonjugats könnten wir dann effektivere Strategien gegen diese Krebsarten finden“, sagt Vrabel.

Medizin der Zukunft mit „lebenden Wirkstoffen“

Das Team entdeckte zudem, dass lebende Zellen in der Lage sind, synthetische Versionen natürlich vorkommender Glykane zu verstoffwechseln und so natürliche Glykokonjugate bilden. Diese Glykokonjugate wurden im Projekt so verändert, dass sie innerhalb der Zelle oder auf der Zelloberfläche „chemisch“ modifiziert werden können, was kostengünstigere Immunmodulatoren in Aussicht stellt. „Mit geeigneten Reagenzien lassen sich auf lebende Zellen künstliche Moleküle aufpfropfen, die Schutz vermitteln, aber keine zellulären Wechselwirkungen oder andere Nebenwirkungen generieren. So könnten etwa Immunzellen mit Antikörpern bestückt werden, um Tumorzellen aufzuspüren und zu zerstören, oder um die Abstoßung transplantierter Organe zu verhindern“, schließt Vrabel. So wurde erstmals ein Patent zur chemischen Modifizierung von Zellen beantragt, während bereits In-vitro-Experimente mit verschiedenen Tumorzelllinien laufen.

Schlüsselbegriffe

SWEETOOLS, Peptide, Krebs, Biomoleküle, Glykane, Immunabwehr, Zellen, Enzyme, Viren, Bakterien

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