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A study of weaving as technical mode of existence

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Die Webkunst als Teil der Wissenschafts- und Technikgeschichte

Weben wurde lange Zeit als einfaches Handwerk betrachtet. Neue Forschungsarbeiten führen diese Kunst jedoch auf die Ursprünge der Mathematik und der Wissenschaft zurück.

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Das Konzept des Webens findet sich in zahlreichen Texten der Antike, darunter auch in denen Platons. Aber ist dieser Bezug nur ein Zufall, vielleicht eine Metapher? Oder steckt mehr dahinter? „Der Akt des Über- und Unterkreuzens von Fäden ist ein binärer Prozess, von dem ich glaube, dass er historische Auswirkungen auf die Entwicklung von Mathematik und Wissenschaft hat“, sagt Ellen Harlizius-Klück, Forscherin am Deutschen Museum. Mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts PENELOPE untersuchte Harlizius-Klück den Beitrag der Weberei zur Entstehung der Mathematik und deren Rolle bei der Gestaltung der Geistesgeschichte, insbesondere der Geschichte von Wissenschaft und Technik. „Wir wollten nicht nur den Beitrag der antiken Weberei zu den Anfängen der Mathematik nachweisen, sondern auch eine Verbindung von den Praktiken und Begriffen der antiken Weberei zu den zeitgenössischen Handwebern, etwa in Indien, herstellen“, erklärt sie.

Ein Konzept der Ordnung weben

Durch praktische Untersuchungen an einem echten Webstuhl und eine sorgfältige Prüfung antiker Texte entdeckten die Forschenden, dass das antike Weben mehrere wichtige Rahmen- und Ordnungsmerkmale enthält. Obwohl diese Merkmale in der modernen Bekleidungstechnik verloren gegangen sind, waren sie entscheidend für ihre Verwendung als Ordnungsmodell in der Antike. „Das Ordnungskonzept der Weberei trug zur Gestaltung von Festen bei und wurde von der Anordnung ritueller Tänze bis hin zum Verfassen von Gedichten verwendet“, erklärt Harlizius-Klück. „Es lieferte auch die grundlegenden Kategorien der ungeraden und geraden Zahlen für die erste Zahlentheorie.“ Die alten Griechen benutzten das Weben, um den Kosmos zu beschreiben, eine Analogie, die Einstein mit seiner Beschreibung des Universums als „Wandteppich aus Raum und Zeit“ fortführte.

Antike Webstühle für digitale Simulationen

Um das Bewusstsein für die Bedeutung der antiken Webtechnik zu schärfen, richtete das Forschungsteam das PENELOPE Laboratory ein. Dieses Labor enthielt zwei rekonstruierte antike Webstühle und einige digitale Simulationen. Es war der Öffentlichkeit zugänglich, so dass Interessenten sehen konnten, wie das oft als traditionell angesehene Handwerk zu modernen wissenschaftlichen und technologischen Konzepten beiträgt. Im Rahmen des Projekts wurden auch Workshops und Ausstellungen veranstaltet, um die historische Bedeutung der Weberei und ihren heutigen Beitrag zu verdeutlichen. „In einem Fall, haben wir eine Homer-Rezitation live codiert. Dabei wurde der Code an einen kleinen Roboterschwarm weitergegeben, der versuchte, einen Zopf zu flechten“, so Harlizius-Klück. Ziel der Live-Coding-Veranstaltung war es, den Menschen zu zeigen, dass das traditionelle Weben kein mechanischer Prozess ist. „Auch wenn das Weben heute weitgehend automatisiert ist, war es das in der Antike nicht“, fügt Harlizius-Klück hinzu. „Diese visuelle Demonstration rückte den digitalen und kreativen Aspekt des Webens in den Mittelpunkt.“

Einen Faden vom antiken Griechenland bis zum modernen Indien weben

Während der COVID-19-Pandemie ging das PENELOPE-Team, wie der Rest der Welt, online, veranstaltete virtuelle Workshops und produzierte Filme. Ein Film, der die Webkonzepte des antiken Griechenlands mit denen der zeitgenössischen indischen Weberei verknüpft erwies sich in Indien als großer Erfolg. „Dieser Film hat eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Gespräche über die Förderung des Wertes von Webkulturen angestoßen“, sagt Harlizius-Klück. Harlizius-Klück zufolge ermöglicht der Vergleich zwischen dem antiken Griechenland und dem modernen Indien eine neue Art der Präsentation und des Austauschs von traditionellem Wissen sogenannter untergeordneter technischer Kulturen. „Dank der Unterstützung des Europäischen Forschungsrats hat unsere Arbeit das Weben als binäre und algorithmische Technologie nicht nur in der Wissenschafts- und Technikgeschichte neu positioniert, sondern auch für die Weberinnen und Weber, die noch immer auf sozial und ökologisch nachhaltige Weise weben“, schließt sie.

Schlüsselbegriffe

PENELOPE, Mathe, Mathematik, Wissenschaft, Weben, Technologie, Handwerk, Handwebstuhl, Webstuhl, Zahlentheorie.

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