Fortschritte in der Immuntherapie zur Lösung des Darmkrebs-Paradoxons
Bei vielen Krebsarten hat sich die Immuntherapie als eine wirksame Behandlungsmethode erwiesen. Eine Ausnahme bildet der Darmkrebs, an dem jedes Jahr 1,4 Millionen Menschen erkranken. „Wir wissen, dass Darmkrebs vom Immunsystem reguliert wird, aber aus irgendeinem Grund ist er weitgehend resistent gegen Immuntherapien“, sagt Zlatko Trajanoski, Forscher an der Medizinischen Universität Innsbruck. „Das ist im medizinischen Bereich als Darmkrebsparadoxon bekannt.“
Das Organ-auf-einem-Chip
Die Forschenden bei EPIC wollten wissen, ob diese Resistenz mit herkömmlichen Medikamenten überwunden und die Tumoren so für die Immuntherapie anfällig gemacht werden können. Ziel des über den Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts war es, die Ursache für die Resistenz von Darmkrebs gegen Immuntherapien zu ermitteln. Auf dieser Grundlage wollten die Forschenden personalisierte Modelle entwickeln, um vorherzusagen, welche Kombination aus Immuntherapie und Standardtherapie, wie Chemotherapie oder gezielten Wirkstoffen, bei einem bestimmten Patienten bzw. einer bestimmten Patientin wirken wird. Dazu wurden Organoide aus dem Gewebe von Betroffenen verwendet. Das sind vereinfachte 3D-Versionen von Organen, die in Vitro geschaffen werden und die strukturelle und biologische Komplexität des Organs nachbilden. „Da diese organähnlichen 3D-Strukturen denselben genetischen Fußabdruck haben wie das Gewebe der Betroffenen, können wir die Auswirkungen verschiedener Wirkstoffkombinationen prüfen“, erklärt Trajanoski, der Projektkoordinator. Mittels funktionellem Präzisionsprofiling wurden die Organoide mit verschiedenen Wirkstoffen behandelt. Die Forschenden zeichneten auf, welche Wirkung der Wirkstoff auf die intrazelluläre Signalgebung hatte – also auf den biologischen Prozess, über den Zellen kommunizieren. „Diese Signale können das Wachstum von Krebszellen regulieren oder sogar verhindern, die Botschaften gehen manchmal verloren“, fügt Trajanoski hinzu. „Dann können Krebszellen sehr schnell wachsen und möglicherweise zum Tumor werden.“
Präzise Krebsimmuntherapie
Die Forschenden fanden spezifische Kombinationen verschiedener Medikamente, die sich merklich auf die Zellsignalisierung auswirken. Ob diese Auswirkungen vorteilhaft oder nachteilig sind, ist sowohl patienten- als auch medikamentenspezifisch. Auch die Plastizität und nicht-genetische Heterogenität des Tumors spielt dabei eine Rolle. Laut Trajanoski könnte dies den Weg für eine präzise Krebsimmuntherapie ebnen. Auch wird eine Krebstherapie möglich, die auf einer patientenspezifischen Kombination von Immuntherapie und Standardmedikamenten beruht. Die Arbeit des Projekts stellt zwar einen wichtigen Durchbruch bei der Behandlung von Darmkrebs dar, kratzt aber nur an der Oberfläche dessen, was möglich ist. Die EPIC-Forschenden erfassten eine riesige Menge an Daten über die Zellsignalisierung, von denen fast 90 % nicht vollständig ausgewertet wurden. Diese Daten sind öffentlich zugänglich, sodass andere Forschende neue Methoden wie künstliche Intelligenz anwenden können, um neue Erkenntnisse aus ihnen zu gewinnen. Da im Rahmen des EPIC-Projekts nur Tumorzellen verwendet wurden, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um den Ansatz in einem komplexeren System zu testen. Auf diese Weise werden zusätzliche Informationen über die Funktion anderer Zelltypen, einschließlich Fibroblasten und Immunzellen, gewonnen. „Wir haben neue biologische Einblicke zu Darmkrebs gewonnen und die Grundlage für die Entwicklung patientenspezifischer Behandlungspläne geschaffen“, so Trajanoski abschließend.
Schlüsselbegriffe
EPIC, Darmkrebs, Immuntherapie, Krebs, Krankheit, Organoide, Zellsignalisierung