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Women’s practical Literacy and Learning Practices in the late Middle Ages (1350-1500)

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Umdenken der Rolle der Frau in der mittelalterlichen Bildung

Neue Erkenntnisse und Ansätze haben dazu geführt, die Bildungsrolle religiöser Frauengemeinschaften im Mittelalter neu zu untersuchen.

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Bis vor Kurzem wurde die Schul- und Ausbildung mittelalterlicher Ordensfrauen von der akademischen Forschung relativ wenig beachtet. „Es wurde davon ausgegangen, dass Frauen keinen bedeutenden Beitrag zu Theologie, Philosophie oder literarischer Kultur der Vormoderne leisten konnten“, erklärt Eva Schlotheuber, Koordinatorin des Projekts ActiLit, von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Da die Kirche Frauen von der öffentlichen Lehre der Theologie oder der Diskussion von Glaubensfragen ausschloss, standen ihnen im Mittelalter weder Lateinschulen noch Universitäten offen.“

Wissen innerhalb religiöser Frauengemeinschaften

Tatsache ist jedoch, dass Ordensfrauen oft sehr gebildet waren. Sie konnten ihr Wissen zwar nicht in der Öffentlichkeit weitergeben, da es ihnen verboten war, sie konnten es allerdings dennoch innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften vermitteln. Ein besseres Verständnis der Funktion und der Weitergabe dieses Wissens an die nächsten Generationen waren die Hauptziele des Projekts ActiLit, das durch die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt wurde. Diese Arbeit war jedoch nicht immer einfach. „Von Frauen verfasste Handschriften werden in Archiven und Bibliotheken nicht gesondert ausgewiesen“, sagt Schlotheuber. „Die Suche danach war also keineswegs leicht. Wir mussten einzelne Briefsammlungen und Rechnungsbücher sowie die Archive und Manuskripte von Frauenklöstern und aus Familienbesitzen durchforsten, um sie zu finden.“ Diese akribische Recherche brachte viel neues Material ans Licht. Die Entdeckung von Verwaltungsschriften von Frauen hat beispielsweise dazu beigetragen, ein umfassenderes Bild von den Möglichkeiten der Frauen zur Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben in dieser Zeit zu zeichnen. Das Projekt ActiLit hat durch eine sorgfältige Analyse und durch die Einordnung dieser Ergebnisse in den richtigen historischen und kulturellen Kontext gezeigt, dass die Lese- und Schreibkompetenz von Frauen im Mittelalter tatsächlich viel ausgeprägter und umfassender war als bisher angenommen.

Unterschätzung von Frauen in der Bildung

Das Projektteam bestätigte zudem, dass die Übermittlung handschriftlicher Texte von Frauen tatsächlich geringer ausfiel als die schriftlicher Zeugnisse von Männern, die Zugang zu Hochschulen und Universitäten hatten. „Dies ist einer der Gründe, warum die Rolle der Frauen bei der Bildung unterschätzt wird“, so Schlotheuber. „In Wirklichkeit spielen Frauen in Europa seit vielen Jahrhunderten eine starke und wichtige Rolle in der Bildung.“ Diese Erkenntnisse sind ein nützliches Korrektiv zu der Annahme, die Freiheit und die Chancen von Frauen wären seit dem Mittelalter linear gestiegen. Tatsächlich haben diese Freiheiten im Laufe der Geschichte stark geschwankt, je nachdem, welche politischen Machtverhältnisse herrschten. „Jede Gesellschaft muss sich aktiv für den Erhalt der Chancen von Frauen einsetzen“, so Schlotheuber weiter. „Es ist schlichtweg nicht der Fall, dass die Zeiten immer besser werden.“

Sichtbarmachung historischer Bildungsräume

Das Team von ActiLit hat dazu beigetragen, das Leben mittelalterlicher Ordensfrauen zu beleuchten, und ganz allgemein verdeutlicht, wie wichtig es ist, den historischen und kulturellen Kontext zu berücksichtigen. Insbesondere ist es gelungen, den geschlechtsspezifischen Bildungsräumen Rechnung zu tragen, die sich im Mittelalter entwickelten. Auch wenn Frauen an den von Männern dominierten Universitäten natürlich keine Rolle spielten, gab es dennoch Bildungsräume für sie, wie das Projektteam zeigen konnte. „Daher konzentrierten wir uns nicht nur auf Institutionen wie Orden und Universitäten als Orte der scholastischen Bildung“, sagt Schlotheuber. „Wir untersuchten die Funktionsweise und die Bildungsdynamik religiöser Frauengemeinschaften und -haushalte und konnten so Bildungsräume identifizieren, die bisher unsichtbar waren.“

Schlüsselbegriffe

ActiLit, Mittelalter, Bildung, Religion, Mittelalter, Theologie, Philosophie

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