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Indigenous Knowledge in the Making of Science: Historia Naturalis Brasiliae (1648)

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Einblicke in die historische biologische Vielfalt Brasiliens

Das Studium einer klassischen naturkundlichen Enzyklopädie aus dem 17. Jahrhundert offenbart viel über den Verlust, besonders der biologischen Vielfalt und des Wissens, aber auch über den Gewinn, da indigene Völker Einblicke bieten, wie sie Wertvolles bewahren.

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Die „Historia Naturalis Brasiliae“ ist eine enzyklopädische Naturgeschichte Brasiliens, die 1648 infolge der niederländischen Kolonisierung des Nordostens Brasiliens von 1630 bis 1654 in den Niederlanden veröffentlicht wurde. Das Buch wurde vom niederländischen Naturforscher Johannes de Laet basierend auf den Forschungen des deutschen Naturforschers George Marcgraf und des niederländischen Arztes Willem Piso zusammengestellt. Darin sind über 800 Einträge über brasilianische Pflanzen und Tiere enthalten. Viele davon sind mit Holzschnittillustrationen versehen, wodurch Menschen in Europa einige Pflanzen erstmals kennenlernen. „Da die Historia Naturalis Brasiliae von den gemeinsamen Erfahrungen der indigenen Völker und der versklavten Menschen aus Afrika beeinflusst ist, bietet sie Einblicke in die Mechanismen der Wissensbildung im kolonialen Niederländisch-Brasilien und damit in den interkulturellen Kontext, in dem die frühe moderne Wissenschaft praktiziert wurde“, erklärt Mariana Françozo von der Universität Leiden und Koordinatorin des Projekts BRASILIAE, das vom Europäischen Forschungsrat finanziert wurde. Durch die Untersuchung, wie das Buch hergestellt wurde und wie das darin enthaltene botanische Wissen mit den heutigen brasilianischen Praktiken zusammenhängt, beleuchtete das Projektteam die biologische Vielfalt und die Gesellschaft von damals und heute. Um weiter zu erforschen, wie die Historia Naturalis Brasiliae in der frühen Neuzeit raufgenommen wurde, stützt sich das Team nun auf die Zählung der noch erhaltenen Bibliotheksexemplare, die in einem frei zugänglichen Buch veröffentlicht wurde.

Eine Momentaufnahme der Geschichte analysieren

In der Historia Naturalis Brasiliae sind sowohl Informationen über die verschiedenen brasilianischen Küstenvölker während der Kolonialzeit als auch die von versklavten Menschen aus Afrika mitgebrachten Pflanzenarten (mit Namen und Verwendungszwecken) aufgeführt. Im Rahmen des Projekts wurde eine multidisziplinäre Methodik angewandt, die neben ethnografischer und historischer Forschung auf der Grundlage von Primärquellen auch Literaturrecherchen, die Bestimmung und Taxonomie von Pflanzen, visuelle Analysen, Radiokarbondatierung und Isotopenanalysen umfasst. „Wir haben Dokumente aus den niederländischen Nationalarchiven verwendet und die Software Transcribus eingesetzt, um die Paläografie der Dokumente zu unterstützen“, fügt Françozo hinzu.

Durch die Nutzung entstehende vielfältige Vorteile

Das Team entdeckte, dass ein Teil der abgebildeten Flora nicht nur für den Nordosten Brasiliens, sondern auch für andere Regionen, insbesondere Amazonas, typisch ist, was Aufschluss über die Wanderungen vor der europäischen Eroberung gibt. Die Zeichnung einer Sonnenblume in der Historia Naturalis Brasiliae, die mit ihrem indigenen Namen (der Tupi) versehen ist, deutet darauf hin, dass die Sonnenblume möglicherweise bereits im 17. Jahrhundert nach Brasilien gebracht worden war und nicht, wie angenommen, erst im 20. Jahrhundert. Das Team hat zudem die Struktur des Sklavenhandels und der Versklavung von Menschen aus Afrika und ihrer Nachkommen in Niederländisch-Brasilien ermittelt und rekonstruiert. Eine mit der Forschung betraute Person untersucht weiterhin, wie die Niederländische Westindien-Kompanie den Sklavenhandel organisierte: ihren Verkauf und die Verwaltung der Arbeit sowie die Art und Weise, wie die Versklavten mit ihrer Unterdrückung umgingen. Es wurde ebenfalls festgestellt, dass die Historia Naturalis Brasiliae Details über Pflanzen und Tiere enthält, die auch für die heutigen Tupi sprechenden indigenen Völker bekannt sind. „Dies verweist auf die Widerstandsfähigkeit und Kontinuität indigener Traditionen und unterstreicht den Wert der Arbeit an historischen Dokumenten an der Seite indigener Völker“, so Françozo.

Den Zugang zu den Ressourcen des Kulturerbes erleichtern

Im Rahmen des Projekts wurde ein Workshop mit dem Volk der Ka'apor am Naturalis Biodiversity Center in Leiden (Projektpartner) durchgeführt. Dieser umfasste auch den Zugang zur hauseigenen Sammlung, durch den die Ka'apor Materialien aus ihrer Kultur finden und über den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes diskutieren konnten. „Ich erinnere mich, dass der Älteste in Bezug auf sein Heimatland sagte: ‚Wir haben auch Vögel in unserem Museum, aber dort können sie immer noch fliegen‘“, sagt Françozo. Das Team arbeitet mit den Ka'apor derzeit gemeinsam an einem Atlas, der aufzeigt, wo Ka'apor-Objekte in europäischen Museumssammlungen zu finden sind, wobei ein gemeinsames Projekt zur Wiederentdeckung von Töpfertechniken ansteht, die nicht mehr praktiziert werden. Die Ergebnisse werden auch in das Projekt REFLORA der brasilianischen Regierung einfließen und dazu beitragen, das Wissen über die frühere biologische Vielfalt von Blumen zu erhalten.

Schlüsselbegriffe

BRASILIAE, Historia Naturalis Brasiliae, Enzyklopädie, kolonial, Brasilien, Pflanzen, einheimisch, niederländisch, biologische Vielfalt, Naturforschung, Ka'apor

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