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Evolving Attitudes toward Single Motherhood in the UK and Russia

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Die gesellschaftliche Wahrnehmung alleinerziehender Mütter in Russland und im Vereinigten Königreich

Eine neuartige Methode zur Bewertung der soziokulturellen Wahrnehmung alleinerziehender Mütter bringt interessante Kontraste zwischen Russland und dem Vereinigten Königreich zutage.

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Hinsichtlich der Wahrnehmung alleinerziehender Mütter hat in vielen Ländern ein Normalisierungsprozess stattgefunden oder findet derzeit statt: Die Gesellschaft ist den Müttern gegenüber nicht mehr negativ eingestellt und ihre Kinder werden aufgrund ihrer unkonventionellen Familienstrukturen nicht mehr schikaniert. Die Gründe und Merkmale dieser Normalisierung sind jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich. In der englischsprachigen Literatur spiegelt sich diese Normalisierung beispielsweise in der Vielfalt der Belletristik wider, einschließlich der Bilderbücher für Kinder und der Jugendliteratur. Das Team des Projekts SingleMother befasste sich mit dem Gegensatz zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland und mit der Frage, was zu dieser Wahrnehmung führt. „In Russland ist die Normalisierung der alleinerziehenden Mutterschaft seit der Sowjetära mit einer pronatalistischen Politik verknüpft. Auch wenn es lange dauerte, bis alleinerziehende Mütter kulturell akzeptiert wurden, werden sie heute als wichtige Mitglieder der Gesellschaft angesehen. Diese Akzeptanz wird durch ihre Rolle bei der Vermehrung der Bevölkerung angetrieben, was den Hauptanliegen der modernen russischen Bevölkerungspolitik entspricht“, sagt Dmitrii Sergejew, Hauptforscher des Projekts, der seine Forschungen an der Universität Cambridge im Vereinigten Königreich durchführte. Im Rahmen des Projekts wurde jedoch festgestellt, dass Parallelen zwischen der Sowjetära und dem heutigen Russland gezogen werden können, was eine immer wiederkehrende Doppelmoral offenbart. Einerseits üben die Behörden keinen Druck auf alleinerziehende Mütter aus, da sie deren gesellschaftliche Bedeutung anerkennen. Auf der anderen Seite ist ein konservativer Wandel hin zu traditionellen Werten und Familien zu beobachten, der ein vertrautes Bild der gesellschaftlichen Erwartungen widerspiegelt. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht die Komplexität des Normalisierungsprozesses und die Herausforderungen, denen sich alleinerziehende Mütter trotz der sich ändernden Einstellungen weiterhin stellen müssen.

Spurensuche nach paradoxen Einstellungen zur alleinerziehenden Mutterschaft

Sergejew, der über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt wurde, wandte sich dem Online-Einzelhandelsriesen Amazon zu, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wonach die Menschen suchen und welche Bücher sie kaufen. Er stellte eine vielfältige Sammlung von Büchern zusammen, die für jeden, der Literatur über alleinerziehende Mütter sucht, leicht zugänglich ist. Dieses Sortiment umfasste 32 Sachbücher, 48 Bücher für Jugendliche und junge Erwachsene und 62 Bilderbücher für Kinder. Diese Werke aus den Jahren 2000 bis 2020 zeigen alleinerziehende Mütter als Haupt- oder Nebenfiguren. „Bei der Untersuchung dieser Texte galt meine Aufmerksamkeit der Erkennung von Mustern, sich wiederholenden Symbolen, Elementen und dem nuancierten Gebrauch von Worten und Bildern bei der Darstellung alleinerziehender Mütter. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf Bilderbüchern für Kinder, bei denen meine Untersuchung über den textlichen Bereich hinausging, um die visuelle Darstellung alleinerziehender Mütter zu untersuchen“, erklärt Sergejew. Sergejew ordnete die alleinerziehende Mutterschaft in die sowjetisch-russische Geschichte ein und konnte so zeigen, wie die Gesellschaft eine ambivalente Haltung gegenüber Frauen entwickelt hat. Er sagt: „Diese Haltung oder Einstellung kann durch eine Reihe von Regeln oder einen kulturellen Kodex charakterisiert werden, der akzeptable und inakzeptable Verhaltensmuster für alleinerziehende Mütter vorschreibt. Nur wenn eine Frau ihr eigenes Glück außer Acht lässt, die Aufmerksamkeit anderer Männer zurückweist, ihre Schönheit und ihre Gesundheit vernachlässigt und sich ganz auf die Erziehung ihres Kindes konzentriert, wird sie als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft akzeptiert.“

Sensibilisierung für die Herausforderungen, mit denen alleinerziehende Mütter konfrontiert sind

Sergejew vertritt die Auffassung, dass das Verständnis dieser Dynamik für die Gemeinschaften von zentraler Bedeutung ist, da es ihnen die Möglichkeit gibt, die vorherrschenden Stereotypen zu hinterfragen und zu überwinden. „Ein überzeugendes Beispiel zeigt sich bei alleinerziehenden Müttern, die ihre eigenen Bilderbücher für Kinder erstellen sowie Selbsthilfeliteratur verfassen und verbreiten und damit ihre Erfahrungen positiv darstellen.“ Sergejew wollte zudem die politischen Entscheidungstragenden auf die Bedürfnisse und das Wohlergehen alleinerziehender Mütter aufmerksam machen. Die bestehenden Rechtsvorschriften bieten zwar einen gewissen Schutz, doch liegt der Schwerpunkt sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene in erster Linie auf den Kindern und die besonderen Herausforderungen, mit denen alleinerziehende Mütter konfrontiert sind, werden vernachlässigt. Laut Sergejew kann diese Ungleichheit beseitigt werden, indem bei der Ausarbeitung politischer Maßnahmen ein „mutterorientierter“ Ansatz verfolgt wird und die Entscheidungstragenden sicherstellen, dass die Erfahrungen alleinerziehender Mütter berücksichtigt werden und sich in den Maßnahmen widerspiegeln. „Ich hoffe, dass durch das Erreichen dieser beiden Ziele zu einem inklusiveren und förderlichen Umfeld für alleinerziehende Mütter weltweit beigetragen werden kann“, sagt Sergejew.

Schlüsselbegriffe

SingleMother, Russland, Normalisierung, Herausforderungen, Gesellschaft, Stereotypen

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