Mechanismen auf der Spur, die Hirnerkrankungen zugrunde liegen
Bei genomweiten Assoziationsstudien werden Tausende genetischer Varianten gescreent und die Genome von Menschen mit und ohne spezifische Merkmale verglichen, um Varianten zu ermitteln, die mit Krankheiten assoziiert sind. Diese Studien haben tiefgreifende Erkenntnisse über viele Krankheiten, darunter auch Hirnerkrankungen, ergeben. Ungeachtet ihres Potenzials weisen genomweite Assoziationsstudien bei der Identifizierung der Mechanismen, die Hirnerkrankungen zugrunde liegen, immer noch Grenzen auf, zum Teil deshalb, weil ein und dieselbe Störung durch verschiedene Kombinationen von Risikovarianten bei unterschiedlichen Patientinnen und Patienten entstehen kann. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) unterstützten Projekts GWAS2FUNC haben sich zusammenarbeitende Forscherinnen und Forscher zum Ziel gesetzt, diese Wissens- und Anwendungslücke zu schließen. Dazu werden sie neue Instrumente zur Bewertung der Variationen bei einer Reihe von neurologischen Erkrankungen entwickeln.
Genexpressionssignaturen auf zellulärer Ebene
Innerhalb des Projekts konnte eine Methode entwickelt werden, die Ergebnisse genomweiter Assoziationsstudien mit Informationen über Genexpressionssignaturen auf zellulärer Ebene verknüpft. Ein weiteres Instrument wurde entwickelt, um die potenzielle biologische Substruktur einer Krankheit anhand von Mustern genomischer Korrelationen zu untersuchen. „Außerdem haben wir vor kurzem FLAMES veröffentlicht, ein neuartiges Instrument, mit dem die Vorhersage des wahrscheinlichsten kausalen Gens auf der Grundlage von Ergebnissen genomweiter Assoziationsstudien verbessert wird“, sagt GWAS2FUNC-Hauptforscherin Danielle Posthuma(öffnet in neuem Fenster), statistische Genetikerin an der Vrije Universiteit Amsterdam(öffnet in neuem Fenster) in den Niederlanden. „Das hilft bei der Definition möglicher Ziele für Folgestudien.“ Im Verlauf des Projekts GWAS2FUNC konnte Posthuma diese Werkzeuge auf der Grundlage früherer Iterationen entwickeln und sie anhand von Simulationen umfassend validieren. „Mit diesen Instrumenten lassen sich Hypothesen über mögliche zugrunde liegende biologische Krankheitsmechanismen aufstellen“, berichtet Posthuma. „Diese Hypothesen müssen noch in funktionellen Experimenten und letztlich in klinischen Studien validiert werden.“
Öffentlich zugängliche methodologische Innovationen
Diese methodischen Neuerungen wurden online öffentlich zugänglich gemacht. Die Instrumente werden gegenwärtig von anderen Forschendem sowie vom GWAS2FUNC-Team im Rahmen mehrerer laufender Projekte genutzt. Die Instrumente unterstützen beispielsweise bei der Durchführung funktioneller Experimente zur Erforschung der biologischen Mechanismen von Hirnkrankheiten wie Alzheimer, Demenz, Schizophrenie und Sucht. Die Forschenden hoffen außerdem, die klinische Praxis in mehrfacher Hinsicht voranzubringen, indem sie zum einen dazu beitragen, die Vorhersagen darüber zu verbessern, wer ein höheres Risiko besitzt, eine bestimmte Krankheit zu entwickeln, was in frühzeitigen Präventionsstrategien münden kann. Zweitens werden die Instrumente dazu beitragen, personalisierte und potenziell wirksamere Behandlungspläne zu erstellen, die vorhersagen, wie Betroffene, die bereits an Erkrankungen leiden, von bestimmten Therapeutika profitieren werden. Da sie mehr Einblicke in die zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen zulassen, können diese Instrumente die Entwicklung neuer Behandlungsstrategien oder Pharmastudien fördern.
Instrumente durch großangelegte Initiativen entwickeln
Die Forschenden planen, die Instrumente anhand neuer Daten, die in den kommenden Jahren verfügbar werden, weiter zu optimieren. Dazu zählen zudem weitere großangelegte Initiativen wie die des Allen Brain Institute(öffnet in neuem Fenster) in Seattle, USA, wo Forschende große Datenbanken von RNA-Molekülen erstellen, die im Gehirn produziert werden, um tiefere Einblicke in die Vielfalt der Zelltypen zu gewinnen. Das Team von GWAS2FUNC arbeitet außerdem an der Entwicklung von Methoden zur Integration verschiedener Informationsebenen aus anderen Bereichen, um die Interpretation der Ergebnisse genomweiter Assoziationsstudien weiter aufzuwerten. Zu guter Letzt arbeitet Posthuma auch eng mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen, um funktionelle Experimente durchzuführen, mit denen die anhand der neuesten Ergebnisse genomweiter Assoziationsstudien aufgestellten Hypothesen überprüft werden können. „Das Ganze ist ziemlich aufregend“, fügt sie hinzu. „Das Ziel besteht darin, tief in die zugrunde liegende Biologie vieler Krankheiten des Gehirns einzutauchen.“