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Inhalt archiviert am 2024-04-22

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Feature Stories - Digitale und virtuelle Welten verschmelzen

Sensoren und Aktoren überall: in Wohnungen und Autos wie auch in Schuhen und Kaffeetassen? Man verspricht sich davon, dass unser tägliches Leben einfacher, sicherer und effizienter wird. Eine solche "Umgebungsintelligenz" verlangt allerdings nach einem Verschmelzen von virtueller und digitaler Welt. EU-finanzierte Forscher des Sensei-Projekts haben diese Brücke geschlagen: Die Ergebnisse ihrer Arbeit leisten bereits ihren Beitrag zu "Smart Cities" überall in Europa.

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So ist es nun tatsächlich möglich, die Temperatur in einer Wohnung oder einem Haus automatisch und ferngesteuert zu regeln, Sonderangebote in Läden je nach Standort und Interessen beim Runterlaufen einer Einkaufsstraße auf der Stelle aktualisiert zu bekommen und dank ärztlicher Fernüberwachung darüber Bescheid zu wissen, dass die Oma wohlauf ist. Diese Welt der "Umgebungsintelligenz", der nicht wahrnehmbaren Technik, die uns bei der Erledigung alltäglicher Aufgaben unterstützt, hat für beinahe jeden von uns enorme Vorteile zu bieten. Diese Vision wahr werden zu lassen, bedeutet allerdings eine Riesenherausforderung. Zum einen müssen Sensoren und Aktoren für die Menschen eher unsichtbar sein und autonom arbeiten. Die Technik muss für den Endnutzer durchschaubar sein, ansonsten wäre sie eher hinderlich denn hilfreich. Andererseits müssen Umgebungsintelligenz implementierende Systeme in der Lage sein, enorme Datenmengen in veränderlicher Qualität verarbeiten zu können. Es gilt sie zu speichern, zu verschieben, umzuformen und in nützliche Daten für Serviceplattformen umzuwandeln. Außerdem müssen diese Dienstleistungen den Nutzern auf möglichst einfache und intuitive Art zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel auf elektronischen Anzeigetafeln, TV-Bildschirmen, Smartphones oder an anderen Mensch-Maschine-Schnittstellen in Gebäuden, Fahrzeugen oder in der Kleidung. Die Arbeit des EU-finanzierten Sensei-Projekts ("Integrating the physical with the digital world of the network of the future") hat Europa und die Welt einer ausgereiften Umgebungsintelligenz einen Schritt näher gebracht. Projektkoordinator Dr. Laurent Hérault, Leiter der Wireless and Security Labs bei CEA-Leti in Grenoble, Frankreich, leitete ein Forscherteam von 19 Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, das an der umfassenden Bewältigung der bestehenden Herausforderungen arbeitete. Etliche Follow-up-Projekte werden es den Einwohnern einiger europäischer Städte ermöglichen, in den kommenden Jahren aus erster Hand in den Genuss der Vorteile dieser Initiative zu kommen. "Heute ist die Welt des Internets eine virtuelle Welt aus Daten, die meist auf Servern gespeichert und von diesen abgerufen wird", sagt Dr. Hérault. Zukünftig hätten wir es mit einem 'Internet der Dinge' zu tun, in dem viele Dinge aus der realen, physischen Welt kontinuierlich digitalisiert werden: In vielen Situationen würden wir dann nicht erst bei den Webservern um Daten anfragen, wir würden die Daten von Sensoren in Alltagsgegenständen bekommen, so seine Meinung. "Wir müssen Wege finden, wie reale Welt und virtuelle Welt am besten zu verbinden sind." So einfach wie Plug-and-Play Der größte Verdienst des Sensei-Projekts war die Entwicklung einer skalierbaren Gesamtarchitektur, die die Eingliederung eines neuen Sensors, Aktors oder einer neuen Schnittstelle in ein Netzwerk so einfach wie Plug-and-Play macht. Das dürfte im zukünftigen Internet der Dinge die wichtige Brücke zwischen realer und virtueller Welt sein: Hier werden Verbindungen zwischen verschiedenen Technologien hergestellt, Informationen gemanagt und für Dienstleistungen verfügbar gemacht, während Sicherheit, Vertrauen und Datenschutz gewährleistet bleiben. Eine offene Service-Schnittstelle, die semantische Informationen zur Datenverarbeitung nutzt, bedeutet, dass die Informationen sowohl für den Menschen als auch für die Maschinen zugänglich und verständlich sind. Dr. Hérault erläutert dazu: "Man könnte beispielsweise fragen: 'Welche Temperatur herrscht auf der Oxford Street?'. Das System würde nun diese semantische Information entschlüsseln, auf über Temperatursensoren verfügende Sensornetze an der Oxford Street zugreifen, die Zuverlässigkeit der einzelnen Netzwerke in Bezug auf die Qualität der Informationen prüfen und eine Antwort liefern." Jedes Sensor-Aktor-Netzwerk innerhalb der Sensei-Architektur wird als eine "Insel" konzipiert, die über eine Schnittstelle bzw. Middleware mit dem Gesamtsystem verbunden werden kann und Daten unabhängig davon, welche Technik zum Einsatz kommt oder welcher Typ von Informationen beteiligt ist, veröffentlichen kann. Eine solche Insel könnte ein Haus, eine Bushaltestelle, ein Fahrzeug oder ein persönliches Netzwerk aus intelligenter Kleidung und mobilen Geräten sein. Wichtig für Datenschutz und Sicherheit dabei: Jeder Nutzer kann steuern, welche Art von Informationen er freigeben möchte und an wen. Die Projektpartner widmeten sich auch einem weiteren recht wichtigen Punkt, der geklärt werden muss, wenn es in Zukunft überall Sensoren und Aktoren geben soll: der Energie. "Wenn wir Milliarden drahtlos verbundener Sensoren und Aktoren einsetzen, könnten die Auswirkungen in Hinsicht auf Energieverbrauch und CO2-Bilanz nicht unerheblich sein. Es ist daher sehr wichtig, Sensoren und Aktoren zu entwickeln, die aus ihrer Umgebung Energie gewinnen können und bei äußerst geringem Energieverbrauch kommunizieren können", gibt Dr. Hérault zu bedenken. Demnächst in einer Stadt in Ihrer Nähe... Effiziente Sensoren, die innerhalb der Sensei-Architektur funktionieren und mit der in einem parallel von der EU finanzierten Projekt mit dem Titel "Wireless sensor network testbeds" (Wisebed) entwickelten Technik gekoppelt wurden, befinden sich bereits auf dem Weg zu ihrem Debüt in der Praxis. Als Teil der SmartSantander-Initiative, einem Folgeprojekt zu Sensei, werden im kommenden Jahr in der nordspanischen Stadt Santander 12.000 weitere Geräte in Betrieb genommen. In einer ersten Umsetzungsphase werden sie eingesetzt, um verfügbare Parkplätze anzuzeigen und die Fahrer über freie Plätze zu informieren, wovon man sich gleichmäßigere Verkehrsflüsse in der Stadt und eine Reduzierung der Umweltverschmutzung verspricht. SmartSantander gewann auf der Future Internet Assembly im Mai in Budapest, Ungarn, den Best Future Internet Award des EU-finanzierten Netzwerkes "Coordination of the European Future Internet Forum of Member States" (CeFIMS). "SmartSantander wird in den kommenden Monaten damit beginnen, den Bürgern greifbare Vorteile anzubieten und soll außerdem als ein offenes Experimentierumfeld für Forscher zum Thema Internet der Zukunft dienen - es wird Santander zu einer der ersten intelligenten Städte Europes machen", so Dr. Hérault. Santander soll jedoch nicht die einzige schlaue Stadt bleiben. Ein weiteres Sensei-Folgeprojekt - "Outsmart" -, das im Rahmen der öffentlich-privaten Partnerschaft "Future Internet" der EU finanziert wird, soll den Einsatz ähnlicher Implementierungen der Technik unter anderem auf Berlin, Birmingham, Aarhus und Trento ausweiten. Innerhalb dieses Projekts werden in Santander Sensor-Aktor-Netzwerke eingesetzt, um eine intelligente Straßenbeleuchtung zu realisieren. Die Lampen werden beispielsweise, wenn niemand auf der Straße ist, zum Energiesparen gedimmt und hochgeregelt, wenn irgendein Ereignis oder erhöhte Aktivität festgestellt wird. In Aarhus wird der Schwerpunkt im Sammeln von Daten zur Wasser- und Abwasserinfrastruktur, dem Umwandeln der Informationen sowie deren intelligenter und autonomer Anwendung liegen. In Berlin arbeiten die Partner an der Entwicklung "intelligenter Papierkörbe" zur Optimierung der Abfallentsorgung. Die Partner in Trento konzentrieren sich inzwischen auf die Entwicklung einer intelligenten Wasserwirtschaft. Ziel ist die Verbesserung der Wasserausnutzung, sowohl im Trinkwasserbereich als auch bei der Energieerzeugung in Berggebieten. In Birmingham werden die Verkehrsinfrastruktur und dazugehörigen Dienstleistungen wie etwa Straßenbahnen, Busse, Straßen, Radwege und Gehwege optimiert, was zu rationalisierten Übergängen zwischen ihnen, Zeiteinsparungen und einer flächendeckend höheren Effizienz führen soll. Parallel zu diesen neuen Projekten wollen einige der wichtigsten Industriepartner im Sensei-Konsortium, darunter Ericsson, SAP, Thales, NEC, Telenor und Telefónica, die Projektforschung in zukünftige kommerzielle Pläne integrieren. So führt Ericsson im Belgrader Verkehrssystem ein Fuhrparkverfolgungs- und Umweltüberwachungssystem mit der Bezeichnung Ekobus ein. "Für sie hat die Zukunft des Internets verständlicherweise sehr große Bedeutung", betont Dr. Hérault. "Sensei stellt in Europa eine Leitinitiative zum Thema Internet der Dinge dar, das vielen neuen Projekten und Initiativen auf den Weg helfen wird, die sehr bald sehr realen Nutzen für die Menschen der realen Welt haben werden." Sensei erhielt innerhalb des Unterprogramms "The network of the future" des Siebten EU-Rahmenprogramms für Forschung (RP7) Finanzmittel in Höhe von 14,98 Mio. EUR (Projektgesamtbudget: 23,17 Mio.). Nützliche Links: - 'Integrating the physical with the digital world of the network of the future' project - Sensei-Projektdatensatz auf CORDIS - 'Wireless sensor network testbeds' project - Wisebed-Projektdatensatz auf CORDIS Weiterführende Artikel: - EU-finanziertes Projekt liefert innovatives Modell für Internetarchitektur - Europäer machen Kommunikation intelligenter Geräte noch einfacher - The Network of Everything - Ambient intelligence: snowboarding to the new frontier