Gibt es ein Gen für Schmerzempfindlichkeit?
Europäischen Statistiken zufolge leiden 19% der Bevölkerung unter chronischen Schmerzen, sodass intensiv an neuen Therapien geforscht wird, um soziale und ökonomische Belastungen für die Gesellschaft zu minimieren. Zuerst muss allerdings geklärt werden, ob das Schmerzempfinden individuell unterschiedlich ist und welche Faktoren hierfür verantwortlich sind. Nimmt jeder Mensch Schmerzen in gleichem Maße wahr, und sind manche Menschen anfälliger für bestimmte Arten von Schmerzen? Jüngste Forschungen legen nahe, dass die Veranlagung, Schmerzen (insbesondere Nervenverletzungen bzw. neuropathische Schmerzen) stärker zum empfinden als andere, in gewissem Maße erblich ist. Diesen Fragen widmete sich das EU-finanzierte Projekt PAINGENES (Heritability of chronic neuropathic pain), indem es an Nagermodellen für Neuropathie Stellen im Genom identifizierte, die mit einer Anfälligkeit (Suszeptibilität) für Schmerzen assoziiert werden. Nach Meinung der Projektforscher sind diese Gene verantwortlich für die Schmerzintensität, und zwar unabhängig von der eigentlichen Ursache der Nervenschädigung. In Genanalysen und Expressionsarrays wurden genetische und zelluläre Variablen definiert, die die Schmerzreaktion beeinflussen. In elektrophysiologischen Studien an Sensorneuronen ermittelten die Forscher das Schmerzniveau einzelner Nagerstämme. Mutanten mit unterschiedlicher Schmerzanfälligkeit zeigten, das Schmerzempfinden vererbbar ist und sich das Suszeptibilitätsgen auf dem Nagerchromosom 15 befindet. Umweltfaktoren und Geschlecht sind aber auch Einflussfaktoren, die die Wirkung des Gens abschwächen oder verstärken. Weiterhin wurde die Empfindlichkeit gegenüber Wärmestimuli auf der Haut untersucht. Wie sich herausstellte, sind die unterschiedlichen Empfindungen bei sensitiven und unempfindlicheren Tieren auf Sensorenrezeptorneuronen in der Haut und die Expression des neuroaktiven Peptids CGRP zurückzuführen. In Genexpressionsanalysen wurde eine kleine Anzahl von Genen identifiziert, die differenziell reguliert werden und bei den Tieren für hohe bzw. niedrige Schmerzempfindlichkeit sorgen. Dies legt nahe, dass die Unterschiede im Schmerzempfinden durch eben jene Gene vererbt werden. Insgesamt hat PAINGENES wesentliche neue Erkenntnisse zu biologischen und genetischen Faktoren für Schmerzempfindlichkeit beigetragen. Indem ein Gen für Schmerzanfälligkeit entdeckt wurde, steht nun ein neuer analytischer Ansatz in der Schmerzdiagnostik zur Verfügung, aus dem neue prognostische und diagnostische Methoden für Schmerzpatienten abgeleitet werden könnten.