FTE-Erfolgsstorys - Patientenhygiene: neue Manieren am Krankenbett
Ältere Menschen können oft nur unter Mühen baden und auf die Toilette gehen. Davon betroffen sind in gleichem Maße auch andere Leute mit eingeschränkter Mobilität wie etwa Behinderte oder Krankenhauspatienten. Neueste Statistiken zeigen, dass eine von zehn Personen im Alter von über 65 Jahren Probleme beim Baden hat, wobei mehr als die Hälfte dieses Personenkreises Hilfestellung von einem Pflegenden oder Verwandten erhält. Normalerweise hilft eine Pflegeperson ihren Schützlingen mit Schwierigkeiten dieser Art, indem sie sie ins Bad begleitet und beim Baden oder bei der Toilettenbenutzung hilft. Noch unbeweglichere Personen werden in ihrem Bett gewaschen und ihnen wird mit Hilfe einer Bettpfanne oder eines Toilettenstuhls Erleichterung verschaffen. Diese traditionellen Methoden bringen jedoch einen gewissen Verlust an persönlicher Würde sowie handfeste praktische Probleme mit sich. Beim Waschen im Bett werden oft das Bettzeug und die Matratze nass, während es bei der Benutzung von Bettpfannen und Toilettenstühlen Geruchsprobleme gibt. Sie müssen außerdem geleert werden, was Fragen der Hygiene aufwirft. Körperpflege wieder mehr in die eigenen Hände nehmen ISU-DEP, ein von der EU gefördertes Forschungsprojekt mit dem Titel "Intelligent sanitary unit for disabled and elderly people", entwickelt ein cleveres Sanitärsystem, mit dem die Eigenständigkeit von Menschen mit eingeschränkter Mobilität erhöht und außerdem das Pflegepersonal entlastet werden kann. Mit Hilfe von fast einer Million EUR an EU-Finanzmitteln hat ISU-DEP einen Prototypen der "Trockendusche" sowie einer höhenverstellbaren, vollautomatischen tragbaren Toilette entwickelt. "Die von uns entwickelte Technik wird die Lebensqualität älterer Menschen und von Patienten verbessern", erklärt Gottfried Seisenbacher, Forscher an der Technischen Universität Wien (Österreich). "Sie wird überdies das Leben der Pflegenden und der Angehörigen der Gesundheitsberufe erleichtern." Im Rahmen des ISU-DEP-Projekts hat man ein System erfunden, das in mehrere einzelne Komponenten aufgeteilt ist. Zunächst einmal gibt es eine Andockstation, die an den Strom sowie Wasser und Abwasser anzuschließen ist, und die Dusche und die WC-Einheiten versorgt und Abwässer entsorgt. Sie befindet sich normalerweise im Bad unter dem Waschbecken. "Diese Bauweise gewährleistet die unkomplizierte Installation des Systems, ohne das Gebäude umbauen zu müssen", merkt Seisenbacher an. Obwohl ursprünglich ein einziges Servicemodul für Dusche und Toilette vorgesehen war, beinhaltet der Prototyp zwei separate Module. Auf diese Weise wird man sie getrennt verkaufen können und es wird außerdem ein überaus wichtiges psychologisches Anliegen berücksichtigt. "Auch wenn ein einziges Komplettmodul absolut hygienisch ist, haben uns unsere Nutzer gesagt, dass sie beim Einsatz von nur einem Servicemodul den Eindruck nicht loswurden, dass sie mit schmutzigem Toilettenwasser gewaschen werden", betont Seisenbacher. Die Servicemodule beinhalten den Großteil der Technik wie etwa Wassertanks, Pumpen, Schläuche, Rohre, Batterien und die Elektronik. Sie werden an die tragbare Toilette und die Bettdusche angeschlossen, die je nach Bedarf herumgerollt werden können. Der innovativste Aspekt des ISU-DEP-Technologie, die in Zusammenarbeit von sechs Partnern aus vier EU-Mitgliedstaaten entwickelt wurde, ist die Duscheinheit. "Die 'Trockendusche' ist eine einzigartige Idee, und die von uns konsultierten Fachkräfte hatten bislang noch nie von so etwas gehört", berichtet Seisenbacher. Die Dusche ist deshalb "trocken", da der Kopf - aus Hygienegründen ein Einwegartikel - das Wasser nicht nur abstrahlt, sondern auch komplett, ohne etwas zu verschütten, wieder absaugt, noch bevor es weglaufen oder tropfen kann. "So muss die Bettwäsche nicht gewechselt werden und die Pflegekraft hat weniger Aufwand", erklärt Seisenbacher. "Da nach dem Waschen die Haut nur ein wenig feucht ist und das Bett trocken bleibt, ist es auf diese Weise viel angenehmer für die geduschte Person, die es ansonsten während des Waschens ertragen muss, eine halbe Stunde lang in einem nassen Bett zu liegen." Auch die Toilette ist ein innovatives Stück Technik. "Soweit es uns bekannt ist, gibt es keine mobile, automatisch spülende Toilette auf dem Markt", stellt Seisenbacher fest. Er merkt überdies an, dass diese Toilette die erste mit einem höhenverstellbaren Sitz sei und es Menschen mit eingeschränkter Mobilität erleichtere, sich zu setzen und wieder zu erheben. Kleine Ideen mit enormem Potenzial ISU-DEP wird innerhalb des Themas "Forschung für KMU" des Siebten Rahmenprogramms finanziert. Gemeinsam mit vier kleinen und mittleren Unternehmen baut das Projekt auf einem früheren EU-finanzierten Projekt, Friendly Rest Room (FRR), an dem die Technische Universität Wien beteiligt war, und einem patentierten Entwurf einer überlaufsicheren Bettdusche auf, der von dem österreichischen KMU-Partner entwickelt wurde. Das ISU-DEP-Konsortium konnte bereits einen funktionsfähigen Prototypen bauen und arbeitet nun an einem Prototypen für "Feldversuche", der wie das endgültige marktfähige Produkt aussehen und funktionieren soll. Aufgrund der mit der manuellen Herstellung verbundenen enormen Fertigungskosten beabsichtigen die Partner derzeit nur eine Vermarktung an Pflegeheime, Krankenhäuser und andere professionelle Einrichtungen, denn die Technik wird zunächst für den privaten Gebrauch unbezahlbar sein. Seisenbacher zufolge werden die Forscher dennoch nach Möglichkeiten zur Senkung der Produktionskosten fahnden und eine Massenproduktionslinie entwickeln, um den Preis der Technologie für den professionellen Einsatz zu reduzieren und eine Haushaltsversion des Produkts zu entwickeln. Die Partner sind dabei aufgrund der Rückmeldungen der Anwender zuversichtlich, dass die ISU-DEP-Produkte gute Marktchancen haben. Sie haben bereits ein Vertriebsnetz für ganz Europa begründet. "Wir suchen noch nach KMU, um das Produkt in einigen Ländern wie zum Beispiel dem Vereinigten Königreich, Spanien und Portugal zu verteilen", sagt Seisenbacher, wobei er hinzufügt, dass die endgültigen Prototypen im Juni 2013 fertiggestellt sein werden. - Vollständige Bezeichnung des Projekts: "Intelligent sanitary unit for disabled and elderly people" - Projektakronym: ISU-DEP - Projektwebsite von ISU-DEP(öffnet in neuem Fenster) - Projektreferenznummer: 262286 - Name/Land des Projektkoordinators: Technische Universität Wien (Österreich) - Gesamtprojektkosten: 1,2 Mio. EUR - Beitrag der EK: 935 674 EUR - Projektbeginn/-ende: November 2010 bis April 2013 - Partner aus weiteren Ländern: Dänemark, Ungarn, Deutschland