Gewichtsreduzierung durch Kälteexposition
Übergewicht und einhergehende Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes verursachen hohe Kosten im Gesundheitswesen. Therapien zielen meist darauf ab, Energieaufnahme und Energieverbrauch wieder ins Gleichgewicht zu bringen und dadurch Übergewicht abzubauen. Allerdings reicht eine Reduzierung der aufgenommenen Energiemenge durch Ernährungsumstellung oder Medikamente oft nicht aus, sodass der Energieverbrauch eine wichtige Variable ist, die erhöht werden muss. Auch der Energieverbrauch kann mit pharmazeutischen Mitteln wie der Gabe von Schilddrüsenhormon gesteigert werden, was aber wiederum deutliche Nebenwirkungen hat. Braunes Fettgewebe (brown adipose tissue, BAT) ist bei Neugeborenen vorhanden, die bei Kälte nicht zittern. Jüngste Daten zeigen aber, dass auch Erwachsene diese Art Fettgewebe besitzen. BAT wird bei Kälteeinwirkung aktiviert und erzeugt Wärme, um die Körpertemperatur stabil zu halten. Diese Aufgabe übernehmen spezifische Kälterezeptoren (TRPA1) an den Nervenenden, die gleichzeitig einen bestimmten Bestandteil von Senföl erkennen. Eine ähnliche Reaktion bewirkt die natürliche Substanz Capsaicin. Auf dieser Grundlage testete das EU-finanzierte Forschungsprojekt "Stimulation of energy expenditure and brown adipose tissue in humans" (SEE BAT), ob durch BAT-Aktivierung der menschliche Energieverbrauch deutlich erhöht werden könnte. SEE BAT sollte Protokolle für die BAT-Aktivierung mittels verschiedener Stimuli erstellen und die Wirkung auf den Glukose- und Fettstoffwechsel sowie die Herz-Kreislauf-Funktion beurteilen. Derzeit erfolgt die Bildgebung an BAT beim Menschen mittels kombinierter Positronenemissions- und Computertomographie, die aber in mehrerer Hinsicht Grenzen hat. So entwickelte das Konsortium eine Infrarot-Thermografie, um die thermogene Reaktion von BAT beim Menschen ermitteln. Das Protokoll wurde am Wellcome Trust-MRC Institute of Metabolic Science des Addenbrookes Biomedical Campus in Cambridge, Vereinigtes Königreich, entwickelt, das schon längere Zeit an BAT forscht. Mit der Methode kann zuverlässig der Unterschied zwischen Körpertemperatur und Anstieg des Energieverbrauchs während der Kälteexposition korreliert werden. Im Anschluss daran erfolgte eine Pilotstudie mit gesunden und übergewichtigen Probanden, die zwei Tage lang in bestimmten Abständen natürlichen oder kälteren Temperaturen ausgesetzt wurden. Auch die Wirkung des Senfbestandteils AITC (Allylisothiocyanat) wurde bewertet und einen Tag später metabolische und hormonelle Veränderungen, Körpertemperatur und Gewicht gemessen. Die aussagefähigen biologischen Daten zur Physiologie des Energieverbrauchs und der Kälteexposition eröffnen neue Wege zur Reduzierung von Übergewicht.