Gemeinsame Genomforschung zwischen der EU und Japan
Retrogene sind, wie das Wort erahnen lässt, rückwärtsgerichtete Gene. Wenn Gene in RNA transkribiert werden, besteht der nächste Schritt normalerweise in der Translation in ein Protein. Manchmal kann es im biochemischen Durcheinander allerdings vorkommen, dass die RNA rückwärts transkribiert und wieder in die DNA eingefügt wird, nur an einer anderen Stelle und mit einem anderen Code, der die Proteinproduktion in Gang setzen kann. So könnte ein neues Gen mit völlig neuer Funktion entstehen – und somit ein weiterer Evolutionsschritt stattfinden. Retrogene bilden den Schwerpunkt des EU-finanzierten Projekts EVOLGEN (Genome sciences - Evolutionary and functional perspective). Weitere Themen sind Intronen – Genabschnitte, die nicht transkribiert werden, sondern für die komplexe Regulierung von Prozessen wie der Produktion mehrerer Proteine aus einem einzelnen Gen eine Rolle spielen. Ein bereits erzielter wegweisender Erfolg des Projekts besteht etwa in der RetrogeneDB-Datenbank(öffnet in neuem Fenster), die Informationen zu über 600.000 Retrogenen in 62 tierischen Genomen enthält. Eines der wichtigsten Forschungsthemen der Evolutionsbiologie ist der Sprung von Einzellern zu mehrzelligen Organismen, daher durchsuchten die EVOLGEN-Wissenschaftler zwei Algengenome nach Retrogenen, um Hinweise darauf zu finden, wie dieser Sprung vonstattengegangen sein könnte. Die EVOLGEN-Forscher entdeckten zudem zahlreiche bis dato unbekannte Twintronen, also Intronen, die sich innerhalb anderer Intronen befinden - in diesem Fall U12-Typ-Intronen. Eine komparative Analyse wurde für die Transkriptome der hoch diversifizierten einzelligen Amöben erstellt, deren Vertreter von Parasiten des menschlichen Gehirns bis hin zu den im Biologieunterricht untersuchten Süßwasserlebewesen reichen, die sich von anderen Einzellern ernähren. Das Forschungs-Toolkit beinhaltete neueste Sequenzierungstechnologie, die Oxford Nanopore DNA-Sequenzierung, um Parasiten von Tropenkrankheiten zu genotypisieren. Da viele dieser Erkrankungen in Indonesien auftreten, entwickelten die Wissenschaftler ein spezielles Analyseprotokoll, auf das leicht per Webbrowser zugegriffen werden kann. Die Kooperationsforschung von EVOLGEN wurde in 11 Peer-Review-Zeitschriften sowie in einer Reihe von Präsentationen auf internationalen Konferenzen beschrieben. Die im EVOLGEN-Projekt geleistete Forschungsarbeit könnte sich auf die grundlegende Biochemie vieler Erkrankungen sowie auf Mikroben auswirken, die für die biotechnologische Produktion potentiell von hoher Bedeutung sind. Durch die Zusammenarbeit zwischen europäischen und japanischen Laboratorien konnten viele junge Forscher wichtige Erfahrungen im globalen Kontext sammeln.
Schlüsselbegriffe
Genomik, Zusammenarbeit, Krankheit, Evolution, Retrogene, Introns