Neuartige Zielstrukturen für Medikamente gegen Grippe
Traditionell werden Grippeepidemien mit antiviralen Arzneimitteln und Impfstoffen behandelt. Das Influenzavirus ist jedoch von Natur aus dazu in der Lage, als Immunabwehrstrategie sein Genom mutieren zu lassen. Diese Antigendrift schränkt die Wirksamkeit existierender Impfstoffe ein, da sie nur gegen spezielle Virenstämme Immunität verleihen können. Um neue Zielstrukturen für die Entwicklung von Medikamenten gegen Influenza zu schaffen, untersuchte das EU-finanzierte INFLUENZA BUDDING-Projekt den Aufbau und die Knospung von Influenzaviren. In der Arbeit konzentrierte man sich auf Struktur und Funktion des integralen Virusmatrixproteins M2 bei der Virusknospung. Die Forscher untersuchten die molekularen Mechanismen, durch die M2 Membranspaltung verursacht, wodurch die Freisetzung von Viruspartikeln außerhalb der Wirtszelle möglich wird. Das Team führte Mutageneseversuche einschließlich In-vitro-Knospungsexperimenten durch und testete die Funktion der erzeugten Mutanten anhand einer Vielzahl von Virus- und Proteinassays. Die Resultate ergaben, dass Hämagglutinin (HA), Neuraminidase (NA) sowie die M2- und M1-Matrixproteine von zentraler Bedeutung für die Virusstruktur sind. Im Einzelnen interagieren M2 und HA mit spezifischen Lipiddomänen, während die NA-Transmembrandomäne ein zentraler Einflussfaktor für die Einleitung von Virusassemblierung und -knospung ist. Eine biophysikalische Analyse der zytoplasmatischen Vorstufe von M2 ließ eine spezialisierte Lokalisierung der M2-Helix erkennen, die von zentraler Bedeutung für die Virusknospung ist. Auf diese Weise wurde die Bedeutung des amphipathischen Charakters von M2 bei der Virusassemblierung und -knospung deutlich ins Licht gerückt. Zudem legten die Resultate der Untersuchung nahe, dass es weitere Proteine geben könnte, die amphipathische Helices enthalten, die bei verschiedenen zellulären Knospungsprozessen einschließlich der Clathrin-unabhängigen Endozytose und multivesikulärer Körperkospung funktionieren. Insgesamt bringen die Erkenntnisse aus der INFLUENZA BUDDING-Studie das Gebiet der Virologie um einiges voran. Sie zeichnen ein Bild des Knospungsprozesses des Influenzavirus von bislang unbekannter Klarheit. Noch wichtiger ist, dass sie auf zentrale Protein-Protein- und Protein-Lipid-Wechselwirkungen hinweisen, die für eine antivirale therapeutische Entwicklung ausgenutzt werden könnten. In zukünftigen Anstrengungen rund um das Wirkstoffscreening sollen neuartige Verbindungen gegen Influenza identifiziert werden, welche die Bekämpfung der schweren gesundheitlichen Auswirkungen von Grippe unterstützen.
Schlüsselbegriffe
Influenzavirus, Grippevirus, INFLUENZA BUDDING, M2, HA, amphipathische Helices