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Cortical Dynamics of Decision Irrationality

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Die Rolle von Neurotransmittern bei der kontextuellen Präferenzumkehr

Mit hochentwickeltem Neuroimaging und klug strukturierten Experimenten ging CODIR der neoklassischen Annahme der Verhaltensökonomie auf den Grund, dass Menschen sich irrational verhalten; das Team konnte sogar genau quantifizieren, welche Beschränkungen bei der Informationsverarbeitung dazu führen, dass man sich entgegen der Vernunft verhält.

Wir treffen jeden Tag sehr viele Entscheidungen. Manche schnell und automatisch, wie die, ob man auf dem Weg zur Arbeit links oder rechts abbiegt. Doch bei anderen Entscheidungen, ganz besonders den wichtigen, müssen wir länger überlegen und uns stärker anstrengen. Menschen ändern oft nachträglich ihre ursprüngliche Wahl, wenn eine schlechtere Option hinzugefügt wird – dieses Phänomen wird als „kontextuelle Präferenzumkehr“ (engl. Abkürzung CPR) bezeichnet. Das EU-geförderte Projekt CODIR hatte zum Ziel, die Mechanismen im Gehirn, die für CPR verantwortlich sind, empirisch zu untersuchen sowie interpersonelle Unterschiede auszumachen. Wenn man sich bei der neuronalen Informationsverarbeitung entgegen der Theorie der rationalen Entscheidung verhält, ist den Forschern zufolge der Grund in der Dynamik in der Hirnrinde und der Funktionsweise der Neurotransmitter zu suchen. Mit Hilfe pharmakologischer Manipulationen bei gesunden Personen fand CODIR heraus, dass der Neurotransmitter, der im Gehirn Hemmungsmechanismen steuert (GABA-A), für solche Verletzungen des Vernunftsprinzips verantwortlich ist. Nachweislich haben dabei hauptsächlich die von GABA-A vermittelten Hemmungsmechanismen kontrolliert, wie stark Aufmerksamkeit sich unverhältnismäßig auf die positiven Eigenschaften von Entscheidungsalternativen richtet. Mit Hilfe von Magnetoenzephalographie (MEG) konnte man noch tiefer in die neuronale Verarbeitung vordringen, die GABA-A steuert. Entscheidungsfindung im Experiment Forschungsleiter und Marie-Curie-Stipendiat Dr. Konstantinos Tsetsos erklärt den Grundgedanken von CODIR so: „Die bisherige Forschung hat nicht betrachtet, welche Eigenschaften der Informationsverarbeitung zu Anomalien führen. Mit unserer Forschung wollten wir diese Lücke schließen. Aufbauend auf unseren vorherigen Arbeiten haben wir eine Versuchsaufgabe erstellt, die alle Haupteigenschaften komplexer Entscheidungen beinhaltete, aber gleichzeitig einfach genug war, damit die Hirnaktivität messbar blieb und die neuronale Informationsverarbeitung charakterisiert werden konnte.“ Die Probanden beobachteten zwei Zahlenströme (schnell hintereinander dargeboten) und mussten danach den Strom auswählen, der die höchste Summe ergab. Die Aufgabe bildet multiattributive Entscheidungen des echten Lebens nach, bei denen das Gehirn höchstwahrscheinlich der Reihe nach „Proben von Werten“ verarbeitet, um Informationen zu bewerten und gleichzeitig Überlastung zu vermeiden. „Dank dieser psychophysischen Aufgabe konnten wir im Projekt die Hirnaktivität während der gesamten Verarbeitungshierarchie verfolgen: von der visuellen Repräsentation von Zahlen (Input) bis zu den Hirnsignalen, die die motorische Vorbereitung der auszuführenden Handlung darstellen (Output)“, ergänzt Projektbetreuer Prof. Tobias Donner. Das Team manipulierte die Hirnaktivität mit Hilfe pharmakologischer Intervention in Form von niedrig dosiertem Lorazepam (ein Benzodiazepin, das unter anderem zur Behandlung von Angst- und Schlafstörungen eingesetzt wird), um die Wirksamkeit des Neurotransmitters GABA-A zu erhöhen. Diese Manipulation zeigte deutliche Ergebnisse in der Hirnaktivität sowie im Verhalten. CODIR hat ein Modell entwickelt, das die wechselwirkenden Hemmungsmechanismen zwischen Wertproben und dem Zeitraum der Zuwendung von Aufmerksamkeit abbildet. Die MEG-Daten und die pharmakologischen Interventionen waren wichtige Beschränkungen für die Simulation. Insgesamt hat sich gezeigt, dass dieses Modell Entscheidungen besser vorhersagen konnte als sein Vorgänger, der bereits selbst wesentlich bessere Ergebnisse gegenüber vergleichbaren Entscheidungsmodellen geliefert hatte. Anwendungen sowohl für Mediziner als auch für Verbraucher CODIR hat herausgefunden, welche Verbindung zwischen Phänomenen bei wichtigen Entscheidungen, CPR und Mechanismen im Gehirn besteht. Zu wissen, warum Menschen sich falsch entscheiden, könnte zur Entwicklung von Entscheidungshilfen beitragen, zum Beispiel in Form von Werkzeugen zum Verbraucherschutz. Außerdem ergeben sich aus der kausalen Verknüpfung von Neurotransmittern und dem Verhalten bei der Entscheidungsfindung auch Schlussfolgerungen für den klinischen Bereich. „Wenn wir wissen, welche Neurotransmitter zu bestimmten Verhaltensweisen führen, können wir anhand dessen und auf Basis der experimentellen Aufgabe aus CODIR diagnostische Werkzeuge für einige neuropsychiatrische Erkrankungen entwickeln, was wir in Zusammenarbeit mit Psychiatern bereits versuchen“, so Dr. Tsetsos abschließend.

Schlüsselbegriffe

CODIR, Entscheidungsfindung, Gehirn, Wahl, Neuroimaging, rational, Verhaltensökonomie, Neurotransmitter, neuronale Informationsverarbeitung, Überlastung

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