Das BioSapiens-Projekt: Die Geheimnisse des menschlichen Genoms enthüllen
Als das Humangenom im Jahr 2003 sequenziert wurde, wurde dies direkt als großer Durchbruch gepriesen. Trotzdem war die Gewinnung der drei Milliarden Basenpaare umfassenden Sequenz unserer DNA dann für viele Wissenschaftler nur der erste Schritt einer viel größeren Herausforderung, nämlich zu verstehen, wie unser Genom funktioniert. Diese Aufgabe ist als Genomannotation bekannt und umfasst die Bestimmung der Funktion von jedem DNA-Abschnitt. Dies ist eine detaillierte Arbeit. Beispielsweise reicht es nicht aus, einfach zu sagen, dass eine Sequenz ein Protein codiert; Struktur und Funktion des Proteins müssen ebenfalls eingehend untersucht werden. Diese Arbeit führt zu einer enormen Menge verschiedener Daten, die auf systematische, kohärente Weise verwaltet und analysiert werden muss, und dies ist der Punkt, wo Bioinformatik auf den Plan tritt. Bioinformatik-Forscher sind auf die Entwicklung von Methoden spezialisiert, mit denen verschiedene Daten, von den Proteinstrukturen und Versuchsergebnissen bis zu Patientenstatistiken, gespeichert, abgefragt und analysiert werden können. Hierfür ziehen sie Techniken und Konzepte aus unterschiedlichen Disziplinen heran, unter anderem aus Mathematik, Biochemie, Genetik, Physik und Linguistik. In Europa sind die führenden Köpfe des Bereichs in einem Exzellenznetz mit dem Titel BioSapiens vereint, das unter dem Themenbereich "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms gefördert wird. Eines der wichtigsten Erfolge des Projekts bis zu diesem Zeitpunkt war die Entwicklung neuer Bioinformatik-Werkzeuge und ihre Integration in bestehende biologische Datenverwaltungssysteme. Diese Werkzeuge wurden von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt im Rahmen des internationalen Projekts ENCODE (Encyclopedia of DNA Elements), das 2003 von den National Institutes of Health in den USA ins Leben gerufen wurde, getestet und validiert. Das anfängliche Ziel von ENCODE war die Bestimmung der Funktion für 1% des Genoms. Die Ergebnisse dieser Pilotphase wurden Anfang dieses Jahres veröffentlicht und stellten die etablierte Ansicht in Frage, dass das Genom aus einer kleinen Zahl von Genen besteht, die von großen Regionen inaktiver "Müll"-DNA umgeben sind. Stattdessen enthüllte die Studie, dass der Großteil der DNA in unseren Zellen auf irgendeine Weise aktiv ist, wobei sich viele der Regionen unseres Genoms, die vorher als "Müll" abgetan wurden, als Bereiche mit regulatorischer Funktion erweisen. Die regulatorischen Sequenzen sind dafür verantwortlich, unseren Genen zu sagen, wann und wo sie aktiv werden sollen. Dies hat große Implikationen für Gesundheitsforscher, da viele Krankheiten durch Mutationen in regulatorischen Sequenzen verursacht werden. "Unsere Ergebnisse enthüllen wichtige Prinzipien über die Organisation funktioneller Elemente im menschlichen Genom und beleuchten Alles in einer neuen Perspektiven, von der DNA-Transkription bis hin zur Evolution der Säugetiere", erklärt Ewan Birney, Projektpartner von BioSapiens vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie, der die Datenanalyse geleitet hat. "Insbesondere haben wir wesentliche Einblicke in DNA-Sequenzen erhalten, die keine Proteine codieren und über die wir vorher nur wenig gewusst haben." Das BioSapiens-Projekt läuft noch ein weiteres Jahr, und während dieser Zeit planen die Forscher, ihre Werkzeuge für den nächsten Schritt von ENCODE, bei dem es um die Annotation der restlichen 99% des Humangenoms geht, noch feiner einzustellen. Allerdings ist BioSapiens nicht allein auf Forschungsmaßnahmen begrenzt; es hat auch eine Bildungskomponente. "Es besteht eine wirkliche Notwendigkeit für Ausbildung in der Bioinformatik", erklärt Professor Alfonso Valencia vom spanischen Nationalen Krebsforschungszentrum und "Outreach"-Koordinator von BioSapiens. Es gibt bereits eine Warteliste für die Kurse, die den Teilnehmern eine Einführung in die grundlegenden Konzepte der Bioinformatik geben und ihnen zeigen, wie sie die verfügbaren Werkzeuge in ihrer eignen Forschung anwenden können. Die Europäische Kommission spricht in den besten Tönen von BioSapiens. Der Projektbeauftragte bei der Europäischen Kommission, Frederick Marcus, sagt CORDIS-Nachrichten gegenüber, es sei eines seiner besten Projekte und beschreibt dessen Leiter als "Superstars". Dr. Marcus zufolge kann der Erfolg des Projekts an der Tatsache festgemacht werden, dass die Partner extrem gut zusammenarbeiten. Professor Valencia bestätigt die Analyse und merkt an, dass das Projekt weit mehr wirkliche Zusammenarbeit umfasst hat als jedes andere Projekt, an dem er beteiligt war. Gleichzeitig ist sich Dr. Marcus über die anhaltende Bedeutung von Bioinformatikforschung, die für die Kommission unter dem Siebten Rahmenprogramm (RP7) ein wichtiges Thema bleibt, bewusst. "Bioinformatik ist ein absolut wesentlicher Teil der Gesundheitsforschung", sagte er im Interview mit CORDIS-Nachrichten.