Trainings-App für das Gehirn soll Übergewichtigen beim Abnehmen helfen
Übergewicht betrifft über die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Europa, was jährlich Behandlungskosten in Höhe von mehr als 120 Mrd. EUR generiert. Ein vielversprechender Ansatz im Kampf gegen Fettleibigkeit (Adipositas) ist die Stärkung kognitiver Kontrollmechanismen (Cognitive Control Training, CCT). Die Vorteile dieser Methode demonstriert das EU-finanzierte Projekt CCT nun in Labortests und einer großen Kohortenstudie. „Vor allem soll untersucht werden, wie sich Essverhalten durch kognitives Training besser steuern lässt“, erklärt Projektkoordinator Chris Chambers.
Kognitives Training per Smartphone-App
Projektschwerpunkt ist die Smartphone-App Restrain, die die Arbeitsgruppe um Chambers zusammen mit dem Data Innovation Research Institute der Universität Cardiff im Vereinigten Königreich entwickelte. In einer 90 Tage laufenden Testversion sollen die Teilnehmenden kognitives Training absolvieren und wöchentliche Gewichtskontrollen durchführen. Der Vorteil des Ansatzes besteht darin, gleichzeitig mehrere Methoden testen zu können, da die Restrain-App 15 verschiedene Konzepte mit jeweils randomisierter Zuordnung umfasst. Obwohl der Test auf eine Placebo-Kontrollgruppe verzichtet, wird bei den Teilnehmenden unterschiedlich starker Einfluss auf das Verhalten ausgeübt. „Das menschliche Essverhalten wird oft von unbewussten und automatisierten Faktoren beeinflusst“, erklärt Chambers. „In manchen Übungen soll gelernt werden, das Verlangen nach ungesunden Lebensmitteln zu zügeln, andere Übungen wiederum fokussieren auf das bewusste Formulieren von Ernährungsentscheidungen und deren konsequente Einhaltung.“ Durch die Smartphone-App ist die Studie für Teilnehmende ansprechender als bloße laborbasierte Adipositasinterventionen, und da sie bereits tausendfach heruntergeladen wurde, wird das Ziel von insgesamt 36 000 Teilnehmenden greifbarer. „In dieser großen Einzelkohorte können wir dann vergleichen, welche Methode am besten funktioniert“, ergänzt Chambers. „Dies ist der größte Testversuch bislang.“
Hirnstimulation
Ein zweiter Projektabschnitt untersuchte, inwieweit sich der Appetit auf ungesunde Lebensmittel durch Hirnstimulation verringern lässt. Im Labor legte die Arbeitsgruppe transkranielle Gleichstromstimulation an Hirnareale an, die für Entscheidungen zuständig sind, und stellte primär beteiligte neuronale Netze mittels funktioneller Magnetresonanztomographie dar. „Dabei entdeckten wir eine spezifische neuronale Signatur, die mit der Hemmung motorischer Reflexe assoziiert ist“, so Chambers. In zwei größeren Versuchen bestätigte sich jedoch nicht, dass Hirnstimulation kognitives Kontrolltraining sinnvoll unterstützen kann. Finanziert wurde die Arbeit über den Europäischen Forschungsrat. „Dabei leistete das Stipendium enorme Hilfestellung“, erklärt Chambers, „denn der Risikograd bei solcher Art Forschung ist hoch und die Fördermittel sind wichtig, wenn flexibel gearbeitet, in mehreren Richtungen geforscht und Personal eingestellt werden muss. Und genau diese Flexibilität haben wir gebraucht.“ Dies war vor allem wegen der Einschränkungen durch die Coronavirus-Pandemie relevant. „Ein Lockdown, in dem Restaurants schließen, der Alkoholkonsum steigt und weniger Sport getrieben wird, ist sehr kontraproduktiv und erschwert Studien“, so Chambers. „Daher mussten wir ständig nach Lösungen suchen, um die Studie und die Datenauswertung überhaupt durchführen zu können.“ Obwohl das Projekt noch zwölf Monate laufen soll, liegen erste Ergebnisse bereits vor, sodass die Arbeitsgruppe auf dieser Basis bald erste gesundheitspolitische Maßnahmen ableiten kann. „Weltweit wird Adipositas immer mehr zum Problem und gilt sogar schon als Epidemie“, so Chambers abschließend, „was wirksame Gegenstrategien dringend erforderlich macht.“ Die Restrain-App kann hier über den Google Play Store heruntergeladen werden.
Schlüsselbegriffe
CCT, kognitive Kontrolle, Training, Adipositas, Fettleibigkeit, Gehirn, Essen, Restrain, Smartphone, App, transkraniell, Gleichstrom