Wie maschinelle Übersetzung den Spracherwerb beeinflusst
Ob es darum geht, eine Speisekarte im Ausland zu entziffern oder eine Website zu verstehen, für viele sind webbasierte Systeme zur maschinellen Übersetzung (MT, Machine Translation) wie Google Translate, DeepL und Bing zur ersten Anlaufstelle geworden. Auch ist sie ein wichtiges Instrument geworden für Menschen, die Englisch als Zweitsprache lernen. „Viele Menschen, die Englisch als Zweitsprache lernen, unterstützen das Lernen durch maschinelle Übersetzungen“, sagt Natalia Resende(öffnet in neuem Fenster), Forschungsstipendiatin der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen(öffnet in neuem Fenster), die dem ADAPT-Zentrum(öffnet in neuem Fenster) angehört, das Teil der Dublin City University(öffnet in neuem Fenster) ist. „Dank des einfachen Zugangs zu diesen Anwendungen über das Handy können Lernende sofort Übersetzungen erhalten, indem sie den Text eingeben, ein Bild machen oder sogar einfach sprechen.“ Doch die maschinellen Übersetzungen sind nicht immer ganz richtig, weshalb Resende sich gefragt hat, ob deren Einsatz beeinflusst, wie Englisch gelernt wird. „Beeinflussen die maschinellen Übersetzungen die Lernenden derartig, dass diese ihr Sprachverhalten in der Zweitsprache verändern, um sich dem anzupassen, was sie über maschinelle Übersetzungen gelesen oder gehört haben?“ fragt sie. Mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts MTrill wollte sie Antworten finden.
Anpassung des Sprachverhaltens
Zunächst führte Resende eine Umfrage mit 90 brasilianisch-portugiesischen Personen an, die Englisch als Zweitsprache lernten. Sie wollte herausfinden, wie und warum sie webbasierte MT-Anwendungen einsetzten. Sie fand heraus, dass die Lernenden diese Anwendungen hauptsächlich verwendeten, um ihre englische Aussprache zu verbessern oder als Ressource für neue Vokabeln. Um zu verstehen, ob diese Anwendungen tatsächlich die kognitive Verarbeitung der Lernenden beeinflussen, führte Resende anschließend ein syntaktisches Grundlagenexperiment durch. Das Ziel dieses Experiments war es, zu beobachten, ob sich das Sprachverhalten der Teilnehmenden im Englischen verändert, wenn sie die App Google Translate verwenden. Betrachten Sie zur Veranschaulichung den Satz „The office table was broken“ (Der Bürotisch war kaputt). Dieser Satzbau existiert im Portugiesischen nicht, weshalb portugiesische Muttersprachler meist „The table of the office was broken“ (Der Tisch des Büros war kaputt) sagen würden. Doch nachdem sie merkten, dass die MT-App den Satz mit dem schwierigeren „The office table was broken“ übersetzte, passten die Lernenden ihr Sprachverhalten an, um die alternative Satzstruktur von Google Translate widerzuspiegeln, wenn sie Bilder im Englischen beschreiben. „Dieses Experiment zeigt, dass die Aufnahme einer syntaktischen Alternative im Englischen dazu führen kann, dass genau diese syntaktische Alternative nachfolgend angewendet wird, selbst wenn es nicht die vom Lernenden bevorzugte syntaktische Alternative im Englischen ist“, merkt Resende an. „In diesem Fall ist das korrekt und sie gelangen dahin, ohne die grammatikalischen Regeln des Satzes zu lernen.“
Ein Hilfsmittel beim Spracherwerb
Trotz der Schwächen ist Resende der Meinung, dass Sprachprogramme die maschinelle Übersetzung nicht als Feind sondern als Hilfsmittel betrachten sollten. „Diese Forschung zeigt, dass maschinelle Übersetzung nicht nur Sprachbarrieren minimiert, sie kann auch von Sprachlehrkräften als Hilfsmittel beim Spracherwerb eingesetzt werden“, fügt sie hinzu. „Doch da schlechte Übersetzungen das Sprachverhalten der Nutzerinnen und Nutzer beeinflussen können, sollten die Auswirkungen auf die menschliche Kognition bei der Entwicklung von Sprachtechnologien beachtet werden.“ Resende hofft, einige dieser Herausforderungen und offenen Fragen in zukünftigen Forschungsinitiativen untersuchen zu können. Ihre bahnbrechende Forschung im Rahmen des Projekts MTrill wurde schon jetzt in zahlreichen führenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht und auf verschiedenen Konferenzen vorgestellt. Außerdem hat sie weitere Forschung angestoßen, zu der auch Projekte gehören, die die Studie in anderen Sprachpaaren nachbilden.
Schlüsselbegriffe
MTrill, maschinelle Übersetzung, Sprache, Spracherwerb, Englisch als Zweitsprache, Übersetzungen, Sprachverhalten, Google Translate