Gentherapie gegen Epilepsie, die über den derzeitigen technischen Stand hinausgeht
Epilepsie entsteht durch erhöhte Erregungsaktivität im Gehirn, was wiederkehrende, spontane Anfälle auslöst, denen meist keine erkennbare Ursache zugrunde liegt. Das Krankheitsbild ist hochvariabel und wird konventionell mit Antiepileptika behandelt, die die Schwere und Häufigkeit der Anfälle abmildern. Gegenwärtige pharmakologische Ansätze greifen bei vielen Betroffenen jedoch nur bedingt, da sich Resistenzen gegen herkömmliche Wirkstoffe entwickeln, sodass dringend neue Therapieansätze gefragt sind.
Gentherapie zur Hemmung des Epilepsiegeschehens
Zunehmend gilt Gentherapie als viel versprechender Ansatz, um einen Rückgang der epileptischen Anfälle zu erreichen. Da das Krankheitsbild heterogen ist und die auslösenden Mutationen noch nicht bekannt sind, wird nun an regulatorischen inhibitorischen Peptiden als Ursache für die Übererregbarkeit des Gehirns geforscht. Das EU-finanzierte Projekt CG01 entwickelte eine Strategie, die Anfälle mithilfe des menschlichen Neuropeptids Y (NPY) und Neuropeptid-Y2-Rezeptors hemmen soll. „Dabei gewährleisten Vektoren auf Basis adenoassoziierter Viren (AAV) den sicheren und effizienten Gentransfer im Nervensystem “, erklärt Jan Nilsson, Projektkoordinator und Geschäftsführer des Unternehmens CombiGene. Obwohl adenoassoziierte Viren keine Krankheiten auslösen, werden die viralen Elementen größtenteils entfernt, sodass sie nur als Vehikel für den Gentransport in die Zellen fungieren. Mit der Expression des Neuropeptids Y und seinem Y2-Rezeptor kann die kontinuierliche Freisetzung von Glutamat-Neurotransmittern an neuronale Synapsen gehemmt und die für die Anfälle ursächliche Übererregbarkeit reduziert werden. Eine gleichzeitige Expression beider Gene am Tiermodell für Epilepsie hat offenbar einen synergistischen Effekt und reduziert das Anfallsgeschehen, wie eine Machbarkeitsstudie zeigte. Weiterhin wurden vorklinische Studien durchgeführt, etwa eine Dosis-Wirkungs-Evaluierung bei Kleintieren und eine Studie an menschlichem Hirngewebe. Auch das Produktionsverfahren wurde skaliert. „Der größte Erfolg des Projekts war, dass die wesentlichen Ziele ohne längere Zeitverzögerungen erreicht wurden“, umreißt Nilsson.
Klinische Umsetzung der Projektergebnisse von CG01
2021 schloss CombiGene für das Projekt CG01 eine exklusive Kooperations- und Lizenzvereinbarung mit dem Unternehmen Spark Therapeutics ab. Gemeinsam werden beide Unternehmen die letzten präklinischen Phasen im Rahmen aussagefähiger Studien zur biologischen Verteilung und Toxikologie abschließen. Im Anschluss daran soll Spark Therapeutics alleinverantwortlich die Durchführung des klinischen Programms und die Weiterentwicklung, Herstellung und Vermarktung des Medizinprodukts CG01 für neuartige Therapien übernehmen. An der klinischen Studie werden zunächst Betroffene teilnehmen, für die eine Operation in Frage kommt. Abhängig vom Ergebnis der Studie soll danach die weitere klinische Entwicklung folgen und die Wirksamkeit der Gentherapie an einer größeren Patientengruppe evaluiert werden. Laut Nilsson „ist das wichtigste Ergebnis von CG01 die effektive Alternative bei pharmakoresistenter Epilepsie, um die Lebensqualität zu verbessern.“ Der erfolgreiche Abschluss von CG01 wird Epilepsiekranken eine wirksame, erstklassige Gentherapie ohne die nachteiligen Nebenwirkungen bisheriger Medikamente bieten. Zudem könnte sich die CG01-Technologie für Gentherapien gegen weitere Krankheiten eignen.
Schlüsselbegriffe
CG01, Epilepsie, Gentherapie, AAV, NPY, Neuropeptid-Y-Rezeptor Y2, adenoassoziiertes Virus, menschliches Neuropeptid Y, Arzneimittelresistenz